Foto: Olaf Wirths

Mallorca ist auch eine Bier-Insel

Olaf Wirths

„Darf es ein bisschen Meer sein?“, fragte die Insel. Dieses Zitat des Schweizers Walter Ludin könnte passender nicht sein, denn ich möchte Euch das beliebteste Reiseziel deutscher Urlauber, die Insel Mallorca, vorstellen. Die Baleareninsel, 170 km vom spanischen Festland entfernt, bietet neben fast ganzjährig angenehmen Temperaturen eine wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft.  Traumhafte Strände, malerische Buchten, schroffe Klippen am türkisblauen Meer bis hin zur Ebene mit ihren Orangen-, Mandel- und Olivenhainen, weiter zu mystischen Pfaden in bewaldeten Höhen. Auch kulinarisch braucht sich die Insel nicht zu verstecken und wartet mit frischen Produkten und eigenwilligen Spezialitäten auf.

Erstes Bier im April 1890

Für Bierliebhaber ist der 5. April 1890 ein wichtiges Datum, denn unter dem Markennamen „La Rosa Blanca“ wurde an diesem Tag das erste Bier auf Mallorca vorgestellt.  Eine Reblausplage in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die steigende Zahl von Einwanderern aus Ländern mit langer Biertradition und neue Technologien  wie die Entwicklung der Kühlmaschine führten zu einem rasanten Aufstieg des Bieres.

Allerdings wurde 1998 die letzte Brauerei auf Mallorca geschlossen und die Insel fortan vom spanischen Festland aus mit Bier versorgt. Seit 2011 hat sich diese Situation nun wieder zum Besseren entwickelt. Es entstehen immer neue Mikrobrauereien mit einer großen Vielfalt hervorragender Biere.

Insel der Steinschleuderer

Doch die Geschichte der größten Insel der Balearen beginnt weit vor 1890 bereits 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. In der Antike waren die Bewohner der Balearen als Els Foners Balears – Steinschleuderer – bekannt.  Aufgrund ihrer hervorragenden Kampftechnik verdingten diese sich häufig als Söldner im gesamten Mittelmeerraum.  Nach den Karthagern hinterließen die Römer ihre Spuren und gründeten unter anderen die heutige Hauptstadt Palma.

Adalt Brewing in der Hauptstadt Palma. Foto: Olaf Wirths

Womit wir bereits bei einem der ersten Höhepunkte sind, denn Palma ist eine der reizvollsten Städte des Mittelmeerraums. In den verwinkelten Gassen der Altstadt finden sich vornehme Paläste, Flaniermeilen und Plätze. Palma ist für Biergenießer das reinste Paradies. Mein erstes Ziel ist die junge, kreative Mikrobrauerei Adalt Brewing, ein absoluter Geheimtipp. Das äußere Erscheinungsbild ist etwas morbid, aber es versprüht Charme.

Die Brauanlage von Adalt Brewing ist durch eine gläserne Wand vom Pub getrennt. Foto: Olaf Wirths

Die Brauerei ist durch eine gläserne Wand vom Pub getrennt. Es gibt fünf eigene Biere direkt vom Fass. Im Hinterhof ist ein kleiner Biergarten, die Stimmung ist sehr angenehm, entspannt und gemütlich. Ich probiere ein Amber Ale und bin sehr positiv angetan, eine hervorragende Qualität. Auch das IPA überzeugt mich voll und ganz. Da das Bier vor Ort auch in Dosen abgefüllt wird, finden einige weitere Biere Platz in meinem Rucksack.

Besuch beim Belgier

Weiter treibt es mich zur Toutatis Bar, hier gibt es charaktervolle belgische Biere von Micha, einem waschechten Belgier. Gebraut werden die fantastischen Leckereien in Cas Canar, im Herzen der Insel, in einem ehemaligen Weinkeller. Dieser befindet sich in einem majestätischen, Jahrhunderte altem Gebäude, in welchem der ehemalige Architekt die Brauerei selbst entworfen und gebaut hat. Für das Wetter besonders geeignet scheint mir das La Blanche, ein Witbier mit regionalen Orangen, Koriander und Jasmin. Sehr erfrischend.

Von Pilsener bis IPA

Da alle guten Dinge bekanntlich drei sind, suche ich die Mikrobrauerei Borrego Guacho auf. Hier werden sechs Biere produziert und frisch vom Hahn angeboten. Es findet sich etwas für jeden Geschmack – vom Pilsener über ein Irish Red Ale bis zum Pale Ale, IPA und NEIPA. Zudem gibt es noch schmackhafte Bocadillos und Empanadas. Was will der Mensch mehr?

Doch des Deutschen liebste Insel hat noch einiges mehr zu bieten als die eindrucksvolle Hauptstadt. Am nächsten Tag geht es mit dem roten Blitz, einer historischen Eisenbahn, nach Sóller im Herzen des Orangentals, nordwestlich im Tramuntanagebirge gelegen.  Die Fahrt verspricht landschaftlich abwechslungsreiche Ausblicke.

Römer, Vandalen, Mauren

Die Ölbaumkultivierung, der Ackerbau und die Infrastruktur auf der Insel wurden durch die Römer gefördert. Einem kurzen Intermezzo des germanischen Stammes der Vandalen folgte die Eingliederung ins byzantinische Reich. 902 eroberten die Mauren Mallorca und eine Zeit der Blüte begann. Den Mauren ist der Ausbau der Bewässerungsanlagen und der Terrassenanbau zu verdanken. Es wurden Mandel-, Aprikosen- und Apfelsinenbäume auf die Insel gebracht.

In Sóller kann man genau das erleben. In einer breiten, wasserreichen Gartenlandschaft gedeiht mediterranes Obst:  Orangen, Zitronen, Kakis, Granatäpfel, Loquats und Passionsfrüchte. Umgeben von Bergen bietet die Stadt unzählige Wanderwege für jeden Geschmack. Die altertümliche Straßenbahn, der „Orangenexpress“, ist ein Muss für jeden Besucher. Eines der schönsten Dörfer Mallorcas, Fornalutx, ist in wenigen Kilometern zu erwandern und auch der Leuchtturm von Port Sóller bietet wunderschöne Ausblicke.

Aus Soller kommt Sullerica. Foto: Olaf Wirths

In Soller hat Guillem Coll, der den Beruf des Brauers in Madrid erlernte, bereits 2012 seine kleine Brauerei Sullerica aufgebaut. Es ist ihm sehr wichtig, die Gerüche und den Geschmack der Insel in seinen Bieren erlebbar zu machen. Wenn man in den Genuss seiner Kreationen kommt, schmeckt man dies auch umgehend. Fünf Biere braut er das ganze Jahr und ein Spezialbier gesellt sich einmal jährlich hinzu.

Das Cuillem sein Handwerk gelernt hat schmeckt man sofort. Besonders gefällt mir das Original, hier schmeckt man Noten von Orangenschalen, Zitronenverbene und Rosmarin. Das IPA enthält neben drei Hopfensorten auch regionale Oliven als Zutat und hat daher eine besondere, unverkennbare Bittere.

In Alaró ist die Biermanufaktur Forastera. Foto: Olaf Wirths

Auf meinem Weg nach Alcúdia, im Norden der Insel gelegen, mache ich einen Stopp in Alaró, eingebettet in ein malerisches Tal am Fuße der Zwillingsberge des Tramaturagebirges. Ich besuche Sven, welcher 2014 mit seiner Frau Marta in Alaró die Biermanufaktur Forastera gegründet hat. Der Name ist bereits ein wenig provokativ, denn „Forastera“ wird von den Ureinwohnern Mallorcas etwas abfällig für die Zugezogenen verwendet.

In der Brauerei mit Brewpub gibt es verschiedenste Biere aus der eigenen Brauerei. Der Großteil jedoch wird in Flaschen abgefüllt und findet seine Abnehmer in gastronomischen Betrieben. Ich probiere das Pils „Sa Roqueta“, fülle meinen Rucksack mit dem „Another fucking IPA“ und dem „Punk is Dead“ Roggen IPA und starte meine Wanderung des Tages.

Eindrucksvolle Ausblicke

Die größte Attraktion in Alaró ist das „Castell d’Alaró“. Die Burg erreiche ich nach einem anspruchsvollen zweistündigen Spaziergang vom Dorf-Zentrum aus. Als ich die Ruinen der Burg erreiche, werde ich mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Ich überblicke die gesamte mallorquinische Landschaft bis weit hinüber zur Bucht von Palma, was bei einem wohlverdienten Forestera Bier noch eindrucksvoller wirkt. Das „Castell d’Alaró“ ist ein wichtiger Schauplatz der Historie Mallorcas. Nach deren Eroberung 1229 wird jedes Jahr zur Silvesternacht in Mallorca das Fest der Fahnen gefeiert, welches auf den Befreiungssieg über die arabischen Besatzer zurückgeht.

Offene und gesellige Menschen


Heute sind die Balearischen Inseln eine autonome Gemeinschaft innerhalb Spaniens.
All diese unterschiedlichen kulturellen Einflüsse und Ereignisse haben die Mentalität der Inselbewohner geprägt, denn die Mallorquiner sind offene und gesellige Menschen, welche mit ihrer ruhigen und gelassenen Art stolz auf ihre Insel und Vergangenheit sind.

Die Beerlovers brauen in Alcúdia. Foto: Olaf Wirths

Das kleine Städtchen Alcúdia, welches Ziel meiner heutigen Etappe ist, versprüht eine entspannte und authentische Atmosphäre. Hier brauen die Beerlovers seit 2013 Biersorten wie Llop, Blat, Bram, Dipa und Negro in einem 300 Jahre alten traditionellem Wohnhaus. Die Biere sind ausgesprochen gut und in Port d‘Alcúdia kann man in der Bar „MarBlanc“ bei einem Blick über kilometerlangen, wunderschönen Strand, das Meer mit dem ein oder anderen Bier der Beerlovers genießen.

Am nächsten Tag darf ein kurzer Abstecher auf die Halbinsel Formentor, mit ihren bizzaren Felsen am Meer nicht fehlen. Hier finden sich Wanderungen und Spaziergänge zu türkisblauen Buchten für jeden Geschmack. Wenige Kilometer weiter im Landesinneren erwartet mich noch das kleine Städtchen Pollenca mit einer verträumten Atmosphäre. Viele Künstler und Kunsthandwerker leben hier und auch für den Bierenthusiasten findet sich die kleine Bar La Biretta. Hier werden diverse Biere von Mikrobrauereien der Insel und des spanischen Festlands angeboten. Etwas schwierig zu finden, in einer kleinen Gasse gelegen, ist es einen Besuch allemal wert.

In Cala Rajada lohnt sich ein Besuch in der Mikrobrauerei Sa Cerviseria. Foto: Olaf Wirths

Um die wunderschöne Insel in allen Facetten genießen und erleben zu dürfen, bedarf es natürlich auch eines Besuchs der wilden Ostküste. Bei einer grandiosen Wanderung von Cala Mesquida nach Cala Rajada erlebe ich phänomenale Ausblicke, schöne Kiefernwälder, abgelegene Buchten und wunderschöne Strände. In Cala Rajada angekommen, freue ich mich bereits auf den Besuch der Mikrobrauerei Sa Cerviseria.  Die Brauerei bietet wieder einmal sechs verschieden Biere, die allerdings immer wieder durch neue Sorten abgelöst werden. Das Golden Ale und das IPA sind ganzjährig verfügbar. Die Inneneinrichtung ist sehr ansprechend und der Laden versprüht eine äußerst angenehme Atmosphäre.

Wer Biere mitnehmen möchte, kann dies sowohl in der Ein-Literflasche oder auch in der 0,33-Liter-Dose tun. Die Dosen werden vor Ort verschlossen und etikettiert, sollten dennoch zeitnah getrunken werden. Besonders in Erinnerung bleibt mir das „Spiced Amber Ale“, ein wirklich kräftiges, karamelliges und dennoch hopfiges, süffiges Bier, welches im Abgang eine Chilliexplosion mitbringt. Ich kann gar nicht anders, als sofort weiter zu trinken.

Alfonso in der Brauerei Mon. Foto: Olaf Wirths

In Sineu, im Zentrum Mallorcas, findet jeden Mittwochvormittag der einzige Wochenmarkt statt, auf welchem auch heute noch Vieh gehandelt wird.  Bereits in arabischer Zeit war hier ein wichtiger Marktplatz. Das bunte Treiben und die Menschenmengen lassen sich bestens beobachten, wenn man ab 10 Uhr in der Mikrobrauerei Mon Platz findet und auf der Terrasse eines der selbstgebrauten Biere von Alfonso probiert. Alfonso hat seine Ausbildung zum Brauer in Alicante erlernt und seit 2018 seine eigene Brauerei in Sineu. Der Zwei-Mann/Frau-Betrieb macht alles auf engstem Raum und erinnert ein wenig an amerikanische Garagenbrauereien.

Bier und Baden im Meer

Alfonso ist unglaublich herzlich und schnell kommen wir in ein unterhaltsames Gespräch. Das Pils hat einen kräftigen Körper mit angenehmer, ausbalancierter Bittere. Weitere Flaschen verschwinden in meinem Rucksack, denn heute geht es noch nach Cala Pi, der schönsten Küste des Südens. Die Wanderung von Cap Blanc nach Cala Pi ist atemberaubend und bei gutem Wetter genieße ich den Blick auf die südliche Nachbarinsel Cabera. In Cala Pi erwartet mich ein beeindruckender Fjord, der mehrere hundert Meter ins Landesinnere hineinreicht und es lockt ein Bad im Meer. Doch was gibt es hier für ein Bier?

Am Ende ein Rosa Blanca

Ich bestelle mir ein „Rosa Blanca“. War dies nicht der Name des ersten Bieres auf Mallorca? Der katalonische Braukonzern Damm versucht das „Rosa Blanca“ wieder aufleben zu lassen. Es ist ein Hoppy Lager – ein niedrig vergorenes Bier mit einer charakteristischen Note Cascade Hopfen. Vermutlich steckt die Absicht dahinter, von dem Boom der Mikrobrauereien zu profitieren, welcher nun seit gut zehn Jahren anhält. „Es wäre toll, wenn wir die Produktion wieder auf die Insel verlagern können“ heißt es bei Damm.

(18. März 2024)