Wer Craft Beer verkaufen will, muss drei Dinge tun: Bier in einer guten, aber auch stabilen Qualität brauen. Andere, vor allem in der Gastronomie, dafür begeistern. Und das Ganze nicht Craft Beer nennen. So funktioniert das jedenfalls bei Mücke in Essen offenbar ganz gut.
Während der ein oder andere Kreativbrauer mit den Widrigkeiten des Marktes, Energiepreisen, Corona-Nachwehen und einem – wie man so sagt – schwierigen Konsumklima kämpft, will man bei Mücke nicht klagen. Im Gegenteil: „Wir sind stetig wachsend. Die Corona-Einbußen haben wir ausgemerzt. Und wir erreichen neue Kunden in der Gastronomie und in Hotels“, sagt Dennis Pfahl, der das Unternehmen vor 7 Jahren zusammen mit Michael Kesseböhmer gegründet hat.
Neue Kunden in der Gastronomie? Das dürfte die Stelle gewesen sein, an der viele Kreativbrauerinnen und Kreativbrauer jetzt hängengeblieben sind. Denn gemeinhin wird genau das als eins der großen Probleme benannt: Man kommt als kleiner Kreativbrauer nicht in die Kneipen und Restaurants. Kommt man doch, sagt Dennis. Und muss man auch. Denn das Problem für Brauer seien ja die Getränkemärkte, in denen die tollen Biere lieblos hingestellt werden und kaum einem Kunden klarzumachen ist (und vom Personal meistens auch nicht klargemacht werden kann), warum er für diese Biere das Zwei-, Drei- oder Vierfache dessen bezahlen soll, was er sonst für sein Pils auf den Tisch legt.
Verträge der Wirte anschauen
Kreativbier bringe man also am Besten über die Gastronomie zu den Kundinnen und Kunden, sagt Dennis. Und in die Gastronomie bringe man es, indem man Angebote macht, die die Wirte überzeugen. Es lohne sich zum Beispiel, sich zusammen mit den Gastronomen die Verträge anzuschauen, die sie mit den großen Brauereien haben. Da stehe nämlich gar nicht so selten drin, dass sie zum Bier der Vertragsbrauerei auch Bier einkaufen dürfen, dass diese Brauerei nicht im Sortiment hat.
Und welche Brauerei habe – zum Beispiel – Ingwer-Pale-Ale im Programm? Das ist eins der beiden Biere, mit denen Dennis und Michael 2016 angefangen haben, professionell zu brauen. Das zweite war ein Single Hop Comet. Inzwischen hat Mücke 5 Biere fest im Sortiment, darunter ein Alkoholfreies, eine Himbeer Gose, einen Radler und ein Export. Alles „Biere, die enorm trinkbar sind“, wie Dennis sagt. Auch das erleichtert den Einstieg ins Gastronomie-Sortiment.
Der Gastronomie nicht das Pils ausreden
Was man nicht versuchen sollte: den Wirten das klassische, im Ruhrgebiet beliebte Pils ausreden zu wollen. Und wenn es ein Brauereivertrag hergebe, dass besondere Biere als Ergänzung möglich sind oder eine Gaststätte sogar brauereifrei ist, dann müsse man Angebote machen, die ein vernünftiger Wirt nicht ablehnen kann: „Lass es uns versuchen. Wenn es nicht funktioniert, nehmen wir das Bier zurück.“ Um Biere zu erklären, stellt Mücke den Wirten Bierkarten zur Verfügung.
Noch wichtiger als die Karten: „Wir machen Tastings mit der Mannschaft. Die müssen überzeugt sein von unserem Produkt.“ Wenn diejenigen, die im Service sind, das Bier selbst gut finden, dann sagen sie einem Gast auch ungefragt, dass ein Ingwer-Pale-Ale perfekt zum Burger schmeckt und ein Coffee-Stout besser ist als ein Kaffee nach dem Essen.
Ein Informatiker und ein Architekt
Das ganze funktioniert inzwischen so gut, dass Dennis, der studierter Informatiker ist, hauptberuflich für Mücke arbeitet. Michael ist weiter Architekt. Als die beiden, die 2014 als Homebrewer angefangen haben, 2016 die Firma gründeten, sei die „Craft Beer Szene im Ruhrgebiet sehr zurückhaltend“ gewesen, erinnert sich Dennis. Er und Michael haben „auf einer kleinen Anlage Dinge gebraut, die es nicht an jeder Ecke gab“, erzählt er.
„Wir sind zu Bierfestivals, dann haben die Bierotheken in Essen und Dortmund eröffnet, inzwischen gibt es auch einige andere gute Läden. Wir sind hingegangenen und haben in Restaurants gefragt, ob die nicht Bock haben zu ihren Burger ein gutes Bier anzubieten. Da war viel zu tun, um diese Idee den Leuten näherzubringen. Aber es hat funktioniert“, erinnert er sich an die Anfänge. Einfach sei es nicht gewesen. Und auch heute werde man mit Kreativbier nicht reich. Aber es hat Spaß gemacht – und das tut es den beiden immer noch.
Die Sache mit dem Grubenpferd
Mücke haben sie ihr Bier genannt, weil so das letzte Pferd auf der Zeche Zollverein hieß. Diese Verwurzelung im Ruhrgebiet ist kein Marketinggag. Die beiden fühlen sich da wohl. Sie gehören dazu. Da komme es Mücke natürlich zugute, dass „Konsumenten wieder mehr Wert auf Regionales legen“, sagt Dennis. Wobei: „Was ist schon regional?“, fragt er. Der Hopfen kommt vor allem aus den USA und aus Bayern. Gebraut wird in Liebhardts Privatbrauerei in Detmolt.
Regionalität ist wichtig
Das Entscheidende aber sei: „Wir sind von hier aus Essen. Wir haben ein Gesicht. Die Leute sagen: Ich kaufe das Bier von den zwei Jungs. Denen vertraue ich.“ Deshalb sei es auch so wichtig, gleichbleibende Qualität zu liefern. „Wir verdienen alle wenig Geld mit unserem Bier. Aber die Leute geben dafür im Vergleich zu anderen Bieren viel Geld aus“, sagt Dennis. Da müsse man dann schon auch was bieten. Saisonale Biere zum Beispiel.
Da startet Mücke gerade mit einem Coffee Stout in den Winter. Dazu verwenden Michael und Dennis dunkle Röstmalze, Kaffee der regionalen Rösterei „Coffee Pirates“ aus Essen-Rüttenscheid und Kakaoschalen in Bioqualität. Wieder so ein Bier, von dem keine große Brauerei den Gaststätten im Ruhrgebiete sagen kann: Haben wir auch.
(18. Oktober 2023)