Insel-Brauerei Rügen

INSEL BRAUEREI RÜGEN: Reift für die Insel

Nina Anika Klotz

Das gab’s hier noch nie: Markus Berberich hat eine Brauerei auf der Insel Rügen eröffnet. Statt aber auf herbnordisches wie-das-Land-und-so-weiter Pils setzt er in der Insel-Brauerei auf „seltene Biere“, wie er selber sagt. Aufwendig hergestellt mit Naturdoldenhopfen, besonderen Malzen und Flaschenreifung. 

Zwei Feldhasen. Fünf Rehe. Ein Storch.
Wiese, Wald, See.
Kühe.
Lange nichts.
Umsteigen.
Wasser, Wasser.
Und dann ist man da. In der Insel-Brauerei auf Rügen.

Insel-Brauerei Rügen

Kann man kaum verfehlen: Kurz nach der Brücke, die Stralsund und Rügen verbindet, kommt die Insel-Brauerei Rügen am Eingang von Rambin. (Foto: NAK)

Hübsch haben sie es. Geräumig. Und irgendwie ist es ja auch sehr idyllisch, auf einer Insel in der Ostsee Bier zu brauen. Bestimmt geht die Geschichte irgendwie so, dass einer hier aus Winterlangeweile, als keine Touristen über die Strandpromenade von Binz schlenderten und in Rambin die Bürgersteige hochgeklappt waren, als schlicht nüscht los war auf der Insel, angefangen hat, zuhause zu brauen. Das schmeckte dann ganz lecker und so beschloss er, sein Bier zu verkaufen. Die Leute auf der Insel freut das sehr, denn davor gab es keine Brauerei hier und jetzt trinken alle Rügener immer gern ihr Inselbier und die Touristen im Sommer auch und deshalb läuft das mit der Inselbrauerei so irgendwie.

Wobei – wenn man sich den Verkostungsraum der Brauerei in Rambin anschaut, die moderne, neue 35-Hektiloter-Anlage, die rund um die Uhr im Drei-Schichtbetrieb von fünf Brauern und zwei Braumeistern bedient wird, das große Lager und das breite Produktportfolio mit zwölf verschiedenen Bieren in je zwei Gebindegrößen… Nun, vielleicht geht die Geschichte der Rügener Insel-Brauerei ja doch ganz anders.

Immer ein guter Start: Champagner. Champagner Bier.

Markus Berberich reicht eine „Insel Kreide“. Champagner Ale mit Champagner Hefe, im Champagner Glas serviert, selbstredend. Filigran, trocken, leicht und fröhlich. Er setzt sich an einen Hochtisch des holzschönen Taprooms und beginnt seine Geschichte zu erzählen. Seine Unternehmensgeschichte. Die, wie er eine Craft Beer Brauerei plante und gründete. Gelangweilter Hobbybrauer kommt keiner darin vor.

Insel-Brauerei Rügen

Macht Sinn: Die „Insel Kreide“ von der Insel mit der Kreide. (Foto: NAK)

Insel-Brauerei Rügen: Craft Beer da, wo keine Hipster wohnen

„Ich bin kein Hipster und will auch keiner sein“, sagt Berberich. Und: „Ich bin Braumeister und ein vorantreibender Typ. Auf ewig angestellt zu sein, wäre für mich eine Qual.“ Damit erklärt der 46-Jährige, warum er seinen Job als Geschäftsführer der Braumanufaktur Störtebeker in Stralsund vor drei Jahren gekündigt hat um eine Brauerei auf Rügen und nicht in Berlin Mitte zu bauen – wenngleich letzteres durchaus auch eine seiner sorgfältigen Überlegungen vorab war. „Craft Beer ist ein urbanes Thema, es findet in Hamburg, in Berlin oder Frankfurt statt und nicht dort statt, wo keine Kaufkraft, schwaches Einkommen und geringe Bildung vorherrschen.“ Gegen Berlin sprach für ihn aber die zunehmende Craft-Übersättigung der Stadt: „Die Craft Brewer in den Großstädten neutralisieren sich gegenseitig. Meist sind es Revoluzzer mit Bärten und Tattoos, die fast immer IPAs brauen.  Das kann genauso austauschbar sein, wie einst die Premium Pils Welle“, sagt der Insel-Brauer.

Insel-Brauerei Rügen

Drinking with style: In der Insel-Braurei findet jedes Bierchen sein Gläschen. (Foto: NAK)

Manchmal scheinen auch die Sorgen und Probleme der Brauer in der Stadt austauschbar. Bei vielen ist es so: Am Anfang fließt alles wie im Rausch, das wenige Bier, das die kleinen Brauereien machen, ist schneller weg als man Prost sagen kann. Läuft! Sie wachsen bis zu einer gewissen Größe – und dann kommen die Schmerzen. Mitarbeiter, Technik, Kosten. Vielleicht dann doch erstmal mittel bleiben. Der nächste Schritt? Ziemlicher Brocken. Jene deutschen Craft Brewer, die man als „richtig groß“ bezeichnen kann, deren Biere flächendeckend zu haben sind, bei den großen LEH-Ketten zum Beispiel und auch auf dem flachen Land, das sind gerade mal zwei Hand voll. Die Insel-Brauerei gehört dazu. Erstaunlich. So weit ab vom Schuss. Und so neu. Im August 2015 floss hier das erste Bier. In nicht einmal einem Jahr wurde die Kapazität der Brauerei von 150.000 Flaschen im Monat auf jetzt 400.000 ausgebaut, die Brauerei ist laut Geschäftsführer dabei zum Glück profitabel. Also, Berberich, wie hast du das gemacht?

Markus Berberich stellt zwei Gläser Baltic Tripel auf den Tisch. „Und kommst du drauf? Denk mal Frankreich, Sommer, Platanen.“ Pastis? Er nickt. Sternanis. Tatsächlich, ein „seltenes Bier“. Dann erzählt der ursprünglich Saarländer: „Ich war 43 und wusste, wenn ich es jetzt nicht versuche, dann mache ich es nicht mehr.“ Versuchen im Sinne von erst einmal Gypsy-Brauen und ganz klein anfangen oder das Sudwerk aus Milchtanks zusammenzimmern oder auch eine alte Brauerei kaufen, Marken übernehmen und mit neuem Leben zu füllen, schied für ihn aus. „Beides halte ich nicht für glaubwürdig“, sagt er. Um als Craft Beer Brauer erfolgreich zu sein, brauche man ein Umfeld, das in der Lage ist, Craft Beer glaubwürdig abzubilden. „Und man braucht, wenn es gut werden soll, sehr spezielle Brautechnik und Menschen, die Craft Beer leben.“ Außerdem sei eine feste individuelle Brauphilosophie wichtig, sagt Berberich. Bei ihm ist die: „Wir machen seltene Biere aus der Flaschenreifung. Und zwar nur das. Wir machen uns völlig frei von Dingen die es schon gibt und gehen einen eigenen Weg.“ Im Portfolio der Insel-Brauerei gibt es kein Zugpferd, keinen Bestseller, kein Lager und kein Pils. Markus Berberich hält es für falsch, wenn andere Craft Brauer argumentieren, ein halbwegs „normales“ Bier sei nötig um ein gewissen Grundrauschen zu schaffen und mehr Flaschen umzuschlagen.

Insel-Brauerei Rügen

Packaging. Ganz wichtiger Punkt in der Insel-Brauerei Rügen. (Foto: NAK)

Besonderes Steckenpferd: die Hefen

Berberichs Biere sind in mehreren Punkten besonders. Bei einem Glas Baltic Stout, einem British Imperial Stout, spricht er über das Thema Hopfen und Malz. Sie verwenden hier auf Rügen außergewöhnlich viele verschieden Malze, die weder Gerste noch Weizen sind. Beim Stout höben die Haferflocken die Mousse-au-Chocolat-Aromen, sagt er. Und zum Hopfen verwenden sie Naturhopfendolden, keine Pellets, ausschließlich. Beim Baltic Dubbel spricht er dann über Hefe: 24 verschiedene Hefen gedeihen hinter der Tür zu seinerr Hefebank, zwei verschiedene für jedes der zwölf Biere. Abteihefen, schottische Ale-Hefe, Saison-Hefen. „Die Hefe kann ihr Aroma bei uns besonders gut entfalten, weil wir sehr flache, offene Gärwannen verwenden.“ Dort findet die Hauptgärung aller seiner Biere statt.

Dann folgt die Nachreifung im Tank – und dann die Flaschenreifung. Wie bei der Champagnerproduktion bekommen Biere die Insel-Brauerei bei der Abfüllung eine Dosage, ein bisschen Zucker, der den Hefezellen noch mal einen Kick gibt. Währen der folgenden zwei Wochen in der beheizten Reifekammer arbeiten die dann noch mal los. „Die Flaschenreifung verstärkt das Eigenaroma der Hefen, macht eine feinperlige Kohlensäure und schützt das Bier“, erklärt Berberich, „weil der Restsauerstoff in der Flasche nach der Abfüllung mit doppelter Vorevakuierung plus Flaschenreifung völlig aufgebraucht wird. Damit ist das Bier auf eine natürliche Weise ein lang anhaltender Genuss.“  Er nimmt einen Schluck und fügt an: „Die Kombination aus Naturdoldenhopfen, offener Gärung, abgezählte Hefen und Flaschenreifung in der Kammer ist wohl die zur Zeit die aufwendigste Herstellung in Deutschland.“ So schaut’s also aus.

Insel-Brauerei Rügen

Zwölf verschiedene Biere hat die Insel-Brauerei Rügen im Portfolio. (Foto: NAK)

„Ach, die mit dem Papier außen rum!“

Und dann sind Berberichs Biere auch noch besonders verpackt:
„Insel-Brauerei, das sind doch die mit dem Bier, das in Papier eingewickelt ist.“
„Ah, die!“
Genau so funktioniert diese besondere, patentierte Verpackung. „Der Kunden im Einzelhandel fällt seine Kaufentscheidung in zwei Sekunden. Wenn man in den zwei Sekunden überzeugt, hat man mehr Chancen.“ Das ist was Psychologisches, „Neuromarketing“, sagt Berberich. Ist die Papierverpackung also das Geheimnis seines Erfolges? Berberich überlegt kurz. „Also, das würde ich so nicht sagen wollen.“ Man hört das unausgesprochene „aber“ recht deutlich. Er lehnt sich zurück. Ok, nein, genauer: „Das Packaging ist nur ein Teil des Erfolgs. Wir überraschen den Verbraucher eigentlich drei Mal: mit der Verpackung, dem Trinkritual – also besondere Gläser, nicht zisch aus der Flasche – und dem Geschmack. Das Ganze ist für den Verbraucher in Sachen Bier eine neue Erfahrung. Letztendlich entscheidend ist aber, dass Craft Biere trotz Charakter gut trinkbar sein müssen oder wie wir oft sagen, eine gute Bilanz haben.“

Insel-Brauerei Rügen

Im Taproom kann man verkosten, snacken, Bier einkaufen und die Aussicht auf die Brauanlage genießen. (Foto: NAK)

Natürlich haben Markus Berberich seine mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Bierindustrie auch geholfen, er hat ein gutes Netzwerk und was er aus der Marke Störtebeker gemacht hat (Brauspezialitäten nämlich statt Ost-Bier) ist eine hervorragende Referenz. Dank seiner Expertise konnte er für den Bau seiner Brauerei auch einen verlässlichen Investor finden, die holländisch-belgische Familie De Groen. Nach dem Verkauf ihrer Brauerei Grolsch an SAB Miller beschäftigt sich die jüngste Generation mit dem Aufbau von Craft Beer Brauereien. Die De Groens sind an Anderson Valley in den USA beteiligt und der Wilderen Brauerei in Belgien. Markus Berberich hängt sich aber auch selbst radikal rein. Es fällt ihm schwer, das Handy länger liegen zu lassen, schnell schreibt er doch noch ein Mail auf dem Weg zum Auto. Abends hat er manchmal Ohrschmerzen vom stundenlangen Telefonieren. Das muss so, sagt er, als Unternehmer muss man Tag und Nacht für das Unternehmen da sein.

Insel-Brauerei Rügen

Die Insel-Brauerei Rügen am Ende des Tages. (Foto: NAK)

Was ihn entlohnt, ist berechtigter Stolz auf ein stattliches Unternehmen, dass er man will fast sagen in Nullkommanichts am Ortsrand von Rambin geschaffen hat. Biergold legt sich die Sommerabendsonne auf die grüne Fassade der Brauerei, es hat gerade aufgehört zu Regnen und sie Luft ist ganz klar. Schön haben sie es hier in Rügen, in der Insel-Brauerei.

Wasser, Wasser.
Drei Rehe.
Kraniche.
Storch.
Reihenhäuser, Stadtrand, grau, grau. Berlin Hauptbahnhof.
Und dann ist man wieder zurück aus der Insel-Brauerei Rügen.

Insel-Brauerei Rügen

Hier schenkt der Chef noch selber aus: Markus Berberich in der Insel-Brauerei Rügen. (Foto: NAK)

Auf einen Blick

Insel-Brauerei Rügen

Markus Berberich (Gründer & Geschäftsführer)

Website

Bekannteste Biere:

  • Insel Kreide (Champagner Ale)
  • Meerjungfrau (Sauerbier)
  • Baltic Ale

Hopfenhelden's Choice:

  • Baltic Stout