Unser nächster Bierfehler ist wieder einmal eine ganz miese Nummer: 2-Mercapto-3-Methyl-1-Butanol (2M3MB)! Viel bekannter als Zwiebelaroma. Manchmal geht es eher Richtung frisch geschnittener Zwiebel, machmal eher Richtung gekochter Zwiebelsuppe und gekochtem Gemüse – in jedem Fall aber völlig unerwünscht im Bier. Und noch was macht Probleme: der super geringe Geruchsschwellenwert in Pilsner Bieren (für andere Bierstile gibt es kaum verlässliche Werte) von 0,13 Nanogramm pro Milliliter (0,00013 ppm).
Was man dachte, wie das Zwiebelaroma entsteht
Jetzt kommt, wie immer, der etwas anstrengende, aber essentielle Teil. Der Pathway, also der Weg der Entstehung von 2M3MB, ist noch gar nicht lange bekannt. Eigentlich erst seit 2018. Vorher gab’s zwar ein paar Vermutungen, wie es entsteht, so richtig sicher war sich aber niemand. Und wie sich dann rausgestellt hat, hatte auch niemand den richtigen Riecher (haha). Als Vorläufer-Stoff galt lange 3-Methyl-2-Buten-1-Ol (3MBol), obwohl man sich nie so richtig sicher war. Auch der Weg vom 3MBol zum 2M3MB war nicht bekannt, es gab lediglich Vermutungen. Außerdem wurde angenommen, dass mechanischer Stress zum Zwiebelaroma führt. Der spielt aber, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Ein paar Punkte waren aber bekannt.
Wie entsteht es denn tatsächlich?
Zum Einen wusste man schon relativ früh, dass das Zwiebelaroma irgendwie mit dem Hopfen zusammenhängen muss, da es in ungehopfter Würze und ungehopftem Bier nicht vorkam. Zum Zweiten wusste man, dass es irgendwie mit der Belüftung der Würze zusammenhängt. Außerdem muss bei der Fermentation irgendwas passieren, denn hier entsteht das Zwiebelaroma eigentlich erst so richtig. Also, wie entsteht der Bierfehler?
Das 2M3MB hat einen Precursor, also einen Vorläufer-Stoff, aus dem es entsteht. Dieser Stoff heißt 2,3-Epoxy-3-Methylbutanal (EMB). Der entsteht wahrscheinlich – so der aktuelle Stand – bei der Oxidation von iso-α-Säure. Das erklärt auch, warum in ungehopftem Bier kein Zwiebelaroma entsteht und warum die Belüftung der Würze eine Rolle spielt. Der Sauerstoffeintrag begünstigt die Oxidation der iso-α-Säure. Jetzt hat EMB (C5H8O2) aber eine doch deutlich andere Strukturformel als 2M3MB (C5H12OS). Woher kommen die Wasserstoffatome, was passiert mit dem zweiten Sauerstoff und woher kommt das Schwefelatom?
Hier die Vermutung: Die Hefe ist Schuld. Beim Hefe-Metabolismus reagiert EMB mit einer Schwefelquelle (zum Beispiel Schwefelwasserstoff), gefolgt von einer Reduktion des endständigen Aldehydes.
Bleibt noch zu klären, warum EMB der wahrscheinlichere Precursor ist, als 3MBol. Eigentlich ganz einfach: Die Umwandlungsrate von EMB ist mit etwa 3% deutlich höher, als die von 3MBol mit etwa 0,001%.
Was ist vielleicht noch ganz nützlich zu wissen?
Erstmal hat EMB kein Zwiebelaroma, man merkt das Dilemma also nicht gleich. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass eine höhere Temperatur der Würze bei der Belüftung zu höheren Konzentrationen von 2M3MB führt. Auch der Hefestamm spielt eine Rolle. Außerdem gibt es noch weitere Stoffe, die ein Zwiebelaroma erzeugen können – 3-Mercapto-3-Methyl-1-Butanol (3M3MB), 3-Mercapto-2-Methyl-1-Butanol und und und – man geht aber davon aus, dass sie keinen Einfluss auf das Zwiebelaroma im Bier haben. 2M3MB hat nämlich den wesentlich geringeren Geschmacks- und Geruchsschwellenwert. Bei 3M3MB liegt er beispielsweise bei 17,5 ng/mL (0,0175 ppm), also mehr als hundert Mal höher als bei 2M3MB.
Was kann man denn gegen das Zwiebelaroma machen?
Der wichtigste Prozess in der Brauerei, mit dem man die 2M3MB-Konzentration im Bier beeinflussen kann, ist die Würze-Belüftung. Die Oxidation der iso-α-Säure muss möglichst vermieden werden. Außerdem hat die Hefe einen großen Einfluss. Das heißt vor allem, dass die Schwefelquellen und die Aldehyde-Reduktion kontrolliert werden sollten.