Stone Berllin

Greg Koch redet wieder

Martin Rolshausen

Er war die schillerndste Gestalt der Craft-Beer-Bewegung. Er begeisterte, aber er polarisierte auch (unter anderem in Berlin): Greg Koch. 2022 verkaufte der Mann, den sie in den USA den Bier Jesus nannten, seine Stone-Brewing-Anteile an das US-Tochterunternehmen des japanischen Sapporo-Konzerns. Dann wurde es ruhig um den Visionär. Greg Koch lebt die meiste Zeit des Jahres in einer abgelegenen ländlichen Gegend, wo er „ein praktisch anonymes Leben führen kann“, schreiben die San Diego Beer News. Dem Online-Magazin hat Greg Koch nun ein Interview gegeben.

Greg Koch sei „mit seiner Vergangenheit, seinen Entscheidungen und seinem neuen Leben so im Reinen, dass er endlich bereit ist, darüber zu sprechen“, schreibt die SD Beer News. Und sie stellt die Frage, die viele Bier-Enthusiasten seit zwei Jahren umtreibt: Wie kann jemand, der mit missionarischem Eifer für Craft Beer gekämpft und die Konzerne das Fürchten gelehrt hat, das tun, was er immer für ausgeschlossen erklärt hat: an einen Konzern verkaufen?


„Ich habe es aus den Baumwipfeln gerufen, weil ich unbedingt wollte, dass es wahr ist – nicht nur für mich, sondern für die gesamte Branche“, antwortet Greg Koch. Und: „Aber wie sich herausstellte, war es den Leuten wirklich egal. Ich wollte so sehr, dass sich alle so sehr darum kümmern wie ich. Das taten sie nicht. Das ist okay. Irgendwann merkst du, dass du den Felsbrocken alleine den Hügel hinaufschiebst, dann fangen deine Füße an, zurückzurutschen. Und wenn du nicht schlau genug bist, aus dem Weg zu gehen, rollt der Felsbrocken schließlich zurück und zerquetscht dich.“ Dann lacht er über das Gesagte, denn es sei schon „eine Menge Melodrama“. Er gehe aber mit gutem Gewissen, denn er könne „wirklich sagen, dass ich die Craft-Brauerei-Branche besser verlassen habe, als ich sie vorgefunden habe“.

Die Craft-Beer-Industrie hat gewonnen

Greg Koch bezeichnet sich in dem Interview selbst als  „Hardcore-Eiferer“. Es habe sich wie eine Bedrohung für die Craft-Beer-Branche angefühlt, als die ersten Brauereibesitzer verkauft haben. Das sei aber gewesen, „bevor wir mit Sicherheit realisieren konnten, dass die Craft-Beer-Industrie gewonnen hatte“. Mit „gewonnen“ meint Greg Koch, „dass die Verbraucher eine leicht zugängliche Auswahl in der Nähe haben“. Es sei bemerkenswert: „Kaum jemand muss heute mehr als um die Ecke oder die Straße runter gehen, um eine große Auswahl an Craft-Bieren zu bekommen.“ „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich jemals erwartet hätte, dass wir tatsächlich so deutlich gewinnen würden. Die Bierlandschaft hat sich für immer zum Besseren verändert. Menschen können jetzt buchstäblich auf der ganzen Welt ein IPA im Westküsten- oder San Diego-Stil genießen!“, sagt er.

„Wir alle müssen irgendwann in Rente gehen.“

Heute mache der Verkauf einzelner Brauereien keine Angst mehr. Greg Koch sagt, es sei in den späten 2010er Jahren gewesen, als ihm eine Mischung aus Trends in der Brauindustrie klar machte, dass er irgendwann sein Unternehmen verkaufen müsse. „Was wird irgendwann, wenn ein Unternehmen reift, noch passieren?“, fragt er seinen Interviewer Brandon Hernández. Und gibt die Antwort selbst: „Die Eigentümer werden entweder verkaufen oder sie werden die Türen schließen, wenn sie in Rente gehen. Wir alle müssen irgendwann in Rente gehen.“ Es gebe selten Fälle, in denen das anders läuft, sagt Greg Koch und nennt einen: Der Besitzer von Sierra Nevada Brewing, Ken Grossman, konnte das Geschäft an seine Kinder weitergeben, aber ich habe keine Kinder.“

Craft Beer ist das echte Bier

Es sei aber eher so: „Viele Kinder wollten nicht in die Geschäfte ihrer Väter einsteigen. Ich tat es nicht, und obwohl mein Vater nicht begeistert war, akzeptierte er, dass ich meinen eigenen Weg gehen wollte.“ Dieser Weg habe ihn auch ins Musikgeschäft geführt. Bereits seit Ende 1989 betreibt er ein Proberaum-Management. „Es ist tatsächlich die größte Musikprobenanlage der Welt, knapp 200 Räume. Es befindet sich in Downtown Los Angeles“, erzählt Greg Koch.

Und dann kommt doch nochmal der Bier-Missionar durch. „Als wir anfingen, war Craft Beer funktional flach und die Leute verwendeten das Wort ,Mikrobrauerei‘ immer noch abwertend oder, schlimmer noch, Begriffe wie ,seltsames Bier‘ oder ,Fu-Fu-Bier‘. Sie fragten: ,Wie kommt es, dass man nicht einfach ein ,richtiges Bier‘ macht?“ Ich habe im Laufe der Jahre tausende und abertausende Male geduldig erklärt, dass das Bier, das bei Stone und anderen Craft-Brauereien hergestellt wird, das echte Bier ist. Es waren die industrialisierten Versionen, die der Abklatsch  waren.“

Das Foto oben zeigt Greg Koch in Berlin – Foto: stp/Hopfenhelden-Archiv

Das andere Foto ist ein Screenshot der „San Diego Beer News“-Seite.

(4. Oktober 2024)