GRUTBIER

Thomas Bassen

Grutbier ist für dich, wenn du…

  • kein Reinheitsgebotsfanatiker bist
  • aufgeschlossen für zunächst ungewohnte Aromen im Bier bist
  • du ein Interesse an Wildkräutern und Pflanzen hast
  • zurück zu den Ursprüngen des Bieres reisen möchtest

Als Grutbier wird ein Bier bezeichnet, das neben Hopfen auch andere Pflanzen oder Kräuter enthält oder aber komplett ohne Hopfen gebraut wird. Insofern ist es streng genommen falsch, hier von einem BIERstil zu sprechen. Grutbiere haben jedoch alle eins gemeinsam: Sie ersetzen entweder ganz oder teilweise den Hopfen im Bier.

 

Grutbier

Alles, nur kein Hopfen: Grutbier wrd mit verschiedensten Kräutermixes gemacht. (Foto: T.Bassen)

 

„Grut“ war im Mittelalter der Name von Kräutermischungen, die zum Bierbrauen verwendet werden. Hauptbestandteile dieser Mischungen waren frühen oftmals Gagel und Sumpfporst. Der mittelgermanische Name von Sumpfporst ist „Grut“. Deshalb wurden und werden die Begriffe „Gagel“ und „Porst“ oft synonym für „Grut“ verwendet.

Geschichte des Grutbier

Tatsächlich ist die Hopfenbeigabe im Bier geschichtlich gesehen ein relativ junger Brauch. Der ausschließliche Einsatz von Hopfen setzte sich flächendeckend erst im 16. Jahrhundert durch. Davor war Hopfen eine Pflanze von vielen, die ihren Weg ins Bier fanden. Einer der ersten Nachweise von Grutbier stammt aus dem 15. Jahrhundert vor Christus aus dem heutigen Dänemark.Von Skandinavien aus verbreiteten sich die Brautradition auf weitere Länder Europas

Im 13. Jahrhundert war Grutbier auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Viele deutsche Städte hatten einen Grutherr, der über die genaue Zusammensetzung der Grut wachte. Er war zugleich der höchste Finanzbeamte der Stadt. Aber auch in den Niederlanden, Belgien, England und Schottland wurde Grutbier gebraut und getrunken.

Mit dem Beginn der Neuzeit setzte sich der Hopfen durch und verdrängte zunehmend andere Kräuter und Pflanzen aus den Braukesseln. Spätestens als 1516 der Bayerische Staat per Vorschrift verbindlich festlegte, dass beim Brauen lediglich Wasser, Gerstenmalz und Hopfen (die Hefe war noch unbekannt) zum Einsatz kommen durften, etablierte sich der Hopfen großflächig. Man spricht auch vom Beginn des Hopfenzeitalters. Dieses dauert bis heute an.

Grutbier heute

Heute meint Grutbier zum einen die historischen Biere, die zu Beginn des Mittelalters von Skandinavien aus einen Großteil des heutigen Nordeuropas eroberten. Zum anderen bezeichnet der Begriff jedoch auch ganz allgemein Biere, die nicht ausschließlich mit Hopfen gebraut wurden. Puristen wehren sich zwar gegen die allgemeine Verwendung des Begriffes, zurücknehmen lässt sich die Ausdehnung der Definition aber wohl nicht mehr.

Grutbier

Hier ließe es sich für ein Grutbier schön sammeln: Die Wildkräuterwiese von Brauerin Pia Morgenroth von G.broi (Foto: T.Bassen)

In den letzten Jahren wächst das Interesse an Grutbieren wieder. Weltweit machen sich Brauerinnen und Brauer daran, den Kräuterbieren neues Leben einzuhauchen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Geht es den einen vorrangig um die Tradition, stehen bei anderen die gesundheitlichen Aspekte früherer Braukräuter im Mittelpunkt. Wieder anderen geht es vor allem um die geschmackliche Vielfalt, die mit den Bieren erzielt werden kann.

In Deutschland braut Pia Morgenroth mit ihren “G.broi”-Bieren ausschließlich Biere ohne Hopfen. So besteht ihr “Schwarzes Scharf” zum Beispiel aus Wasser, Gerstenmalz, Hefe, Schafgarbe und Gundermann und ihre “Wilde Nessel” kommt mit einer guten Portion Brennesseln daher.

Grutbier

Hübsch und lecker: Wildkräuter, gruttauglich. (Foto: T.Bassen)

Ein weiterer Vorreiter der neuen alten Grutbier-Kultur ist Philipp Overberg mit seiner Gruthaus-Brauerei in Münster. Zusammen mit Jan Kemker braut er die “Dubbel Porse”, ein Bier, das sich an dem historischem Münsteraner Vorbild orientiert und unter anderem Weizen, Hafer, Gagel, Wacholder, Kümmel, Hopfen und wilde Hefen enthält.

Klar, die neue Rückbesinnung steckt noch in den Kinderschuhen, aber sie nimmt von Jahr zu Jahr an Fahrt auf. Ein erstes Ergebnis dieser Entwicklung ist der „International Gruit Day“, der jährlich am 1. Februar stattfindet. An diesem Tag verbreiten Brauereien und Hobbybrauer ihre für diesen Tag gebrauten Kräuterbiere unter dem Hashtag „GruitDay“ über ihre Social-Media-Kanäle

>> Am 15.Februar 2020 veranstaltet das Deutsche Institut für Grutkultur (ja, das gibt es!) das Grutbierfestival Grutkultur 2020 in Münster. Dabei sind deutsche und internationale Grutbierbrauer. Speziell und besonders – und einen Wochenendtrip nach Münster wert!