Titel JOSEFS Brauerei

JOSEFS BRAUEREI: Die Inklusionsbrauerei

Thomas ReddersIm Gespräch, Interviews

Inklusion beschreibt das Zusammensein, das Zusammenleben und das Zusammenarbeiten von Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen: Herkunft oder Behinderung spielen keine Rolle. Im tiefen Sauerland zwischen Brilon und Meschede liegt das beschauliche Olsberg-Bigge. Hier braut die JOSEFS Brauerei seit 2000 Bier. Aber anders als in anderen Brauereien haben die meisten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Behinderung – genauer gesagt rund 60%!

Das Josefsheim wurde 1904 vom Priester Heinrich Sommer in Bigge als Gründungseinrichtung der Josefs-Gesellschaft, die heute ihren Sitz in Köln hat, gegründet. Das Josefsheim Bigge ist Dienstleister „für Menschen mit Körper-, Lern-, Sinnes-, psychischen, geistigen und Mehrfachbehinderungen sowie für Menschen, die kurzfristig oder dauerhaft einen besonderen Unterstützungsbedarf haben“, heißt es auf deren Homepage. Heinrich Sommer ziert heute das Logo der JOSEFS Brauerei.

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Die JOSEFS Brauerei hat auch einen Online Shop.
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Alle Biere und alkoholfreien Getränke der JOSEFS Brauerei könnt ihr euch auch einfach nach Hause bestellen! Egal ob Pils, Märzen, Keller, Dunkel, Weizen oder das saisonale Bockbier (ab dem 19. März)! Ganz unter dem Motto: „Gutes trinken. Gutes tun!“

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Inzwischen hat die Brauerei fünf verschiedene Biere in ihrem Portfolio, ergänzt von saisonalen Klassikern und einer großen Bandbreite an alkoholfreien Getränken – Tendenz steigend. Insgesamt wurden 2019 rund 10000 Hektoliter produziert, darin enthalten sind sowohl die alkoholfreien Produkte, als auch die Biere, die auf einer 20 Hektoliter Anlage gebraut werden.

Wir wollten genauer erfahren, wie die Idee entstanden ist, wie der Alltag in der JOSEFS Brauerei aussieht und wie sich die Brauerei von anderen unterscheidet. Dazu haben wir uns mit Andreas Kemper, Pressesprecher der JOSEFS Brauerei, unterhalten.

Kemper Josefs Brauerei

Andreas Kemper, Pressesprecher der JOSEFS Brauerei. (Foto: JOSEFS Brauerei)

Herr Kemper, wie ist die Idee entstanden, die erste Inklusionsbrauerei Europas zu gründen?

Ein Mitarbeiter des Josefsheims hat damals hobbymäßig Bier gebraut. So ist die eigentliche Idee entstanden. Gegründet wurde die Brauerei 2000, damals noch integriert in die Werkstatt für behinderte Menschen. Dort hat man die ersten Schritte gemacht und die heutige Brauerei auf dem Gelände des Josefsheims gebaut.

Finanziell gefördert wurde dies von der Stiftung Wohlfahrtspflege des Landes NRW und vom Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Seit 2004 gehört die Brauerei nicht mehr zur Werkstatt für behinderte Menschen, sondern ist als eigenständige gemeinnützige GmbH ein Inklusionsbetrieb. Das heißt, dass die Menschen, die dort arbeiten, allesamt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze haben und somit auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind.

Wie sieht der Alltag in der Brauerei aus? Gibt‘s andere Arbeitszeiten, wie viele Sude produzieren Sie pro Woche?

Der Ablauf des Arbeitstages unterscheidet nicht besonders von dem in anderen Brauereien. Wir haben ja die gleichen Dinge zu tun wie andere auch. Wir starten um 07:00 Uhr und um 16:30 Uhr ist Feierabend. Im Normalfall produzieren wir pro Tag ein bis zwei Sude.

Was sind die Herausforderungen und Schwierigkeiten in einer solchen Brauerei?

Dadurch, dass man mit Menschen mit Behinderung arbeitet, ist es einfach so, dass man da gewisse Herausforderungen hat und die Produktion etwas langsamer abläuft.

Vorrangiges Ziel ist es, weitere sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für die Menschen mit Behinderung zu schaffen. Daher arbeiten wir in der Produktion im Vergleich zu anderen Brauereien sehr personalintensiv. Natürlich könnten wir die Produktion auch an einigen Stellen weiter automatisieren, dann würden aber genau diese Arbeitsplätze wegfallen. Es ist also ein Herausforderung, diesen Spagat zwischen der Schaffung und Wahrung der Arbeitsplätze auf der einen Seite und der Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite hinzukriegen.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie aktuell? Wie viele davon haben eine Behinderung?

Insgesamt beschäftigen wir 25 Menschen in der Brauerei. Die teilen sich auf die Produktion, das Labor beziehungsweise die Qualitätssicherung, die Logistik und den Vertrieb auf. 60% davon sind Menschen mit Behinderung.

Was unterscheidet Ihre Brauerei und Ihre Produkte von denen anderer Brauereien?

Unsere Brauerei ist komplett barrierefrei gebaut. Wir haben beispielsweise einen Mitarbeiter, der im Rollstuhl sitzt. So sind alle Armaturen niedriger montiert, damit diese auch für ihn erreichbar sind.

Da unsere Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehen, sehen auch unsere Rücketiketten etwas anders als bei anderen aus. Auf jedem Etikett ist ein anderer Mitarbeitender mit Bild und seiner Aufgabe in der Brauerei abgebildet. So erfahren die Menschen beim Trinken schon mehr über den Kern unserer Brauerei: die Menschen.

Lagerkeller JOSEFS Brauerei

Der Lagerkeller der JOSEFS Brauerei. Gut zu erkennen: die niedrigeren Armaturen. (Foto: JOSEFS Brauerei)

Warum ist die Brauerei ausgerechnet in Olsberg-Bigge entstanden, da mangelt es ja nicht gerade an Konkurrenz auf dem Biermarkt? War es für Sie klar, dass Sie in jedem Fall in dort produzieren?

Aufgrund der Tatsache, dass das Josefsheim hier ansässig ist, stand es nicht zur Debatte, dass man woanders hingeht – zumal der Brauereistandort Sauerland bekanntlich doch ein sehr guter ist. Die großen Brauereien haben eigentlich wenig Einfluss auf uns. Wir sind eine kleine Manufaktur und stellen handgemachte Biere und alkoholfreie Getränke ja nicht in der Masse her, dass wir uns da in die Quere kommen würden.

Wieso trauen sich in Deutschland nicht mehr Brauereien, Menschen mit Behinderungen einzustellen?

Andere Brauereien beschäftigen sicher auch Menschen mit Behinderung. Für eine Brauerei, wie wir sie haben, fehlt vielen aber wahrscheinlich einfach das know-how. Wir wissen durch unsere Erfahrung im Bereich der Behindertenhilfe, worauf es ankommt, was man beachten muss. Es wäre aber natürlich schön, wenn auch andere, große Brauereien unserem Gedanken folgen würden und Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt verschaffen würden.

Was sind Ihre Pläne für 2020?

Wir wünschen uns in erster Linie, dass wir weitere sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung schaffen können. Natürlich planen wir auch, weitere Kunden zu akquirieren und unsere Verfügbarkeit dadurch auszuweiten. Wir möchten insgesamt bekannter werden und den Leuten die Geschichte und den Hintergrund unserer Brauerei erzählen.

Die Menschen sollen wissen, dass sie mit jedem Schluck JOSEFS gleichzeitig etwas Gutes tun. Ganz so, wie es unser Motto, das man auch auf den Flaschen findet, sagt: „Gutes trinken. Gutes tun!“

(Titelbild: JOSEFS Brauerei)