David Hertl

„Ein schwieriger Markt – auch wegen des Mehrwegsystems“

Martin Rolshausen

Der Bierumsatz geht weiter zurück – trotz Fußball-EM sogar im Juni, raunte es durch die deutsche Medienlandschaft. „Bier und Fußball, das gehört für viele Fans noch immer zusammen. Die Hoffnungen der Brauereien auf gute Geschäfte während der EM aber haben sich nicht erfüllt. Wenn aber nicht einmal der Fußball den Bierabsatz steigern kann, was kann dann überhaupt noch die deutsche Bierkultur retten? Dieser Frage wollen wir in diesem Sommer nachgehen. Wir haben dazu mit einigen Menschen aus der Branche gesprochen und wollen mit weiteren sprechen – gewagte und weniger gewagte Thesen aufstellen, zum Nachdenken und Mitdiskutieren anregen. Einer, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt, ist David Hertl, der in Franken mit seinem kleinen Familienbetrieb für großes Aufsehen sorgt:

Teil 6: die Sicht einer Klein-Brauerei

„Eine richtig harte Nummer ist das: mit Bier Geld zu verdienen“, sagt David Hertl. Er macht das seit 11 Jahren. Dass er so lange durchgehalten hat, liegt daran, dass er Bier brauen und verkaufen für ihn nicht nur Beruf ist. Bier ist Davids Berufung. Und irgendetwas scheint er richtig zu machen mit seiner kleinen Brauerei in Franken, also der Region in Deutschland, in der die Brauereidichte und damit auch die Konkurrenz besonders groß sind. Als David sein Unternehmen gegründet hat, sind auch viele andere unter dem Laber „Craft Beer“ gestartet. „Viele kleine Brauereien haben trotz Investoren nicht überlebt. Wir haben es ohne Investor geschafft“, sagt er.

Geld für Gastronomie und Brauereien – ganz schwierig

Mit Geld von außen sei das nämlich so eine Sache: „Bis man ein gutes Verhältnis zur Bank hat, dauert es Jahre.“ Und wenn man sage, dass man einen Kredit für Gastronomie oder Gastronomie brauche, dann sei es besonders schwierig. Da seien die Bankmenschen ganz besonders vorsichtig geworden. Dass es das kleine Familienunternehmen Hertl geschafft hat, liege daran, dass man „viele Standbeine“ hat. „Ich rede gerne“, sagt David. Und wer ihn kennt, weiß, dass er das auch richtig gut kann. Also mache er viele Seminare, Braukurse und Verkostungen. „Das kann man mit wenig Invest starten und dann die eigene Biermarke aufbauen“, beschreibt er seinen Weg.

Mehrweg als Vorteil für große Brauereien

„Deutschland ist ein extrem schwieriger Markt auch wegen des Mehrwegsystems“, sagt David und erklärt das so: 10 Euro netto koste in eine Bierkiste und die Flaschen dazu. Dafür gibt es von den Kunden aber nur gut 3 Euro Pfand. „Das hält die kleineren Brauereien still. Kleine schaffen dieses Investment in Kisten und Leergut nämlich nicht so wie die großen Brauereien. Und die Großen wären doof, wenn sie das System lockern, um es den Kleinen einfacher zu machen“, sagt er. Denn kleinere Brauereien seien stärker geworden im Markt. „Das spüren die großen neben dem generellen Bierabsatz-Rückgang“, ist Hertl überzeugt. Gäbe es in Deutschland Einwegflaschen ohne Pfand, wäre es für kleine Brauereien einfacher – sie müssten nicht in Leergut investieren, brauchen keine teuren Waschanlagen und weniger Logistik. Wobei David es bevorzugen würde, wenn der Pfand auf Kisten und Flaschen einfach erhöht und den wirklichen Kosten angepasst wird.

Preiskämpfe schaden dem Image

Aber nicht nur das Pfandsystem bringe den kleinen Brauereien Nachteile. Sie leiden auch unter den Preiskämpfen, die große und mittelständische Betriebe führen. Das Problem mit den ganzen Billig-Aktionen sei: „Wenn du einmal in diesem Teufelskreislauf bist, dann gehörst du der Katze. Wenn der Kunde da mal dran gewöhnt ist, dann kauft der immer nur das billige Bier. Man bescheißt den Konsumenten ja eigentlich auch: Für eine Zeitraum ist das Produkt billiger, in der Woche drauf dann wieder der normaler Preis? Das ist doch verrückt. Es käme ja auch niemand in einer Autowerkstatt auf die Idee zu sagen: Nächste Woche ist es 30 Prozent billiger, dann bringe ich den Wagen eben dann zur Reparatur.“

Hanfbier und Gurkengose

Wenn ein Bier immer wieder verramscht wird, sei das „auch ein Schaden für die Marke“. Und: „Der Kunde, der immer nur nach Sonderangeboten schaut, ist dann auch nicht der Mensch, dem Bier etwas wert ist“, sagt David. Aber genau solche Menschen müsse man an die Brauerei binden. Deshalb stehen bei ihm die Qualität im Vordergrund. Da habe er schon ein über Franken hinaus „verrücktes Image“ aufgebaut. Der Sud mit Hanfblüten gestopftem Bier sei innerhalb einer Woche ausverkauft gewesen. Auch die Gurkengose laufe gut. „Die ist eine Nische in der Nische, aber gut wie Hölle“, versichert David . Seine Erfahrung ist aber: „Immer weniger Brauer trauen sich, etwas Außergewöhnliches zu brauen. Aber man lockt dadurch Leute an, die interessant sind als Kunden“, weiß er. Menschen eben, die sich für Biervielfalt interessieren, denen Bier etwas wert ist und die dann auch weniger experimentelle Biere dieser Marke kaufen.

Nicht nur Verrücktes machen

„Aber auch ich kann es mir natürlich nicht leisten, nur Verrücktes zu machen“, sagt David. Dennoch: 44 Sorten Bier braut er übers Jahr verteilt. Aktuell hat er 27 verschiedene Biere auf Lager. „Ich braue nicht auf Masse sondern auf Vielfalt“ – das ist Davids Leitlinie. Er beobachtet mit Skepsis, „dass jetzt alle auf Helles und Naturradler setzen. „Das versuchen jetzt alle. Sogar die Norddeutschen ziehen nach“, wundert sich der Bayer. „Die entwöhnen ihre Kunden vom Pils zum Hellen, also zu einem Bier mit weniger Charakter. Und irgendwann werden wir in Blindverkostungen dann keinen Unterscheid mehr erkennen.“

Kampf im Haifischbecken

Das Problem sei, dass der Bierabsatz ja nicht dadurch steige, indem alle dasselbe machen. Im Gegenteil. Mehr Biersorten könnten auch mehr Kunden anlocken, glaubt David. Zurzeit sehen es so aus, also versuche man sich gegenseitig Kunden wegzunehmen und nicht neue Käuferschichten zu erschließen. Und da seien die großen Brauereien mit den billigeren Bieren natürlich im Vorteil. Das sei keine gute Entwicklung. David formuliert es so: „Das Haifischbecken wird immer kleiner, die Fische im größer.“

Die bisherigen Beiträge zur Diskussion:

„Hören wir auf, Hektoliter-Zahlen zum Erfolgsmaßstab zu machen!“, hieß es im ersten Teil dieser Reihe.

Im zweiten Teil haben wir ins faszinierende Bierland Belgien geschaut.

Im dritten Teil haben wir mit Holger Eichele, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds gesprochen.

In Teil vier ging es darum, was Axel Kiesbye Brauereien rät.

In Teil fünf hat Maximilian Krieger vom Verein der Deutschen Kreativbrauer für Vielfalt geworben.

(Foto: David Hertl)

(29. September 2024)