Unverhopft Titel

UNVERHOPFT: Hell(es)wach

Thomas ReddersIm Gespräch, Interviews

Abraham Taherivand und Tobias Gritschacher brauen mit Unverhopft Biere, die wach machen. Mit Mate. Guarana. Koffein halt. Warum und wie das schmeckt erzählen sie hier.

Abraham Taherivand und Tobias Gritschacher sind die Gründer von Unverhopft, einer kleinen Kuckucks-Brauerei in Berlin. Die Beiden sind Software-Entwickler und konnten – zumindest in jungen Jahren – das Klischee der Nächte durchhackenden Computer-Nerds bedienen. Also hatte Abraham schon früh die Idee, eine Guaraná-Schleckbrause zu entwickeln. Aber damit nicht genug. Dafür trinken Abraham und Tobi viel zu gerne Bier.

Die Idee ein Mate-Bier zu brauen ist keine Neue. Abraham kannte bereits das „Mier“ von Fabricio do Canto von der Meta Mate Bar und Thorsten Schoppe von Schoppe Bräu. Allerdings hatte das „Mier“ ein Problem: „Jedes hat unterschiedlich geschmeckt. Und zwar total unterschiedlich. Das hatte ich immer wieder im Hinterkopf“, erklärt Abraham. Die beiden hatten also ein Ziel: Ein Rezept entwickeln, dass geschmacklich stabil ist.

Und vom Mate-Bier zum Bier mit Guaraná ist der Weg gar nicht so weit. Wie die Mate, geht auch die Guaraná auf das südamerikanische Volk der Guaraní zurück und hat ebenfalls die Superkraft, als Wachmacher zu dienen.

Dass die Rezeptentwicklung gar nicht so einfach ist, wie es dann aber doch geklappt hat, und wie die Computer-Cracks zu Brauern wurden, haben die Zwei uns spät abends, aber trotzdem hellwach erzählt.

Klar, das Wortspiel Unverhofft-Unverhopft leuchtet ein. Aber ich habe mich ehrlich gesagt erstmal gefragt, ob ihr ohne Hopfen braut. Tut ihr aber nicht, also was hat es mit dem Namen auf sich?

Abraham: Ich habe Unverhopft nie so assoziiert, dass kein Hopfen im Bier ist. Ich stimme dir da aber trotzdem zu. Wenn wir auf Messen waren, kamen immer mal wieder Leute auf uns zu. Die Meisten finden es eher witzig und ansprechend.

Unverhopft steht eigentlich für das Unverfälschte. Und wir wollten was Übergreifendes, dass nicht nur die Anfangsidee von dem Mate Bier abdeckt. Der ausschlaggebende Punkt war eigentlich, dass Tobi beim Brauen ein T-Shirt anhatte, auf dem „Unterhopft“ stand. Das Erste, dass du in unseren Computer-Jobs machst, ist schauen, ob die Domain vergeben ist, oder es den Markennamen gibt. Die Domain war noch frei, die Marke gab’s auch noch nicht.

Tobi: Das Einzige, dass man finden konnte, war, dass mal jemand „Unverhopft kommt oft“ als Signatur in einem Hobbybrauforum hatte. Die Assoziation, die wir damit hatten, war unverhofft, überraschend, experimentierfreudig. Man kann auch „unverkopft“ damit assoziieren. Trotzdem haben wir inzwischen tatsächlich den Plan, die Herausforderung anzunehmen und ein Bier ohne Hopfen zu brauen.

Man kann euch ein bisschen als die Koffeinjunkies unter den Brauern bezeichnen. Ihr habt, wie schon gesagt, ein Mate Bier, jetzt aber auch ein Stout mit Guaraná gebraut. Was fasziniert euch an den Wachmachern?

Abraham: Das mit dem Koffeinjunky kann ich so stehen lassen! Mich begeistern natürliche Zutaten mit Koffein schon lange. Außerdem gibt es im Grunde genommen EIN offizielles Open Source Bier, dass ursprünglich auch mit Guaranà gebraut wurde – das Vores Øl oder Free Beer.

Guaraná finde ich von der Wirkung sehr angenehm. Gerade in Südamerika ist das bei kreativ Schaffenden und Studenten sehr verankert. Ich sehe Energydrinks sehr kritisch, da zusätzlich noch andere Stoffe mit im Getränk sind, wie beispielsweise Taurin. Gerade die Mate, aber auch das Guaraná bieten irrsinnig viel Potential. Guaraná ist extrem bitter, Mate hat einen ganz eigenen Geschmack. Und da scheiden sich natürlich die Geister. Ich selber bin aber sehr angetan.

Tobi: Es hat auch einfach zu unserem Hintergrund gepasst. Gerade in jüngeren Jahren hackt man nachts noch ein bisschen und trinkt literweise Kaffee, Schwarztee oder eben auch Mategetränke. Daher lag es nahe, Biere mit Koffein zu entwickeln. Wobei wir dazusagen müssen, dass wir uns bei der Mate eher auf den Geschmack konzentriert haben. Bei dem Stout mit Guaraná war unser Ziel, das Koffein aus dem Guaraná in das Bier zu bringen, weniger den Geschmack.

Mate als Hipsterwachmacher kennt man. Aber wie braut ihr das Bier? Wie kommt die Mate dazu?

Abraham: Da gibt es zig Möglichkeiten, wie man es verwenden kann – und auch, wie nicht. Die Haupterkenntnis aus dem „Mier“-Projekt war, dass die Mateblätter nicht als Naturrohstoff beim Kochen in den Sud hineingegeben werden dürfen, da sich die Mateblätter, wie eigentlich jedes natürliche Produkt, immer wieder unterscheiden. Unser Ansatzpunkt war der, dass wir eine nachhaltige Biomate wollten, die wir über die Meta Mate Bar in Berlin beziehen. Mit den Mateblättern sind wir nach Spandau zu Olaf Kirschner (Kirschner Ingredients) gefahren und haben dort ein Aromaextrakt hergestellt. Dieses Aromaextrakt geben wir in unser Basis-Pilsner – also wie eine Art Kalthopfung. So entsteht mit dem Aromaextrakt dieser einzigartige Geschmack.

Guaraná müssen die Meisten wahrscheinlich erstmal googlen. Warum habt ihr euch ausgerechnet diese Wunderfrucht ausgesucht und nicht zum Beispiel ein Kaffee-Stout gemacht?

Abraham: Guaraná hat, wenn man sie rein auf diesen Wachmachereffekt reduzieren möchte, einen erheblichen Vorteil gegenüber Kaffee oder synthetischen Stoffen wie Taurin. Die Wachmacher im Guaraná bewirken einen leichten Anstieg und erreichen nicht einen absoluten Peak und dann einen Crasheffekt. Beim Kaffee hat man das, das ist wissenschaftlich belegt. Bei dem Ale Comandante war der Hintergedanke, dass wir einerseits mit dem aufpushenden Effekt spielen, andererseits aber was Schokoladiges entgegensetzen wollen.

Unverhopft Biere

Das Unverhopft-Sortiment: Hopfungsvoll, Ale Comandante und das Mate Bier. (Foto: Unverhopft)

Tobi: Wir haben mit dem Guaraná-Bier tatsächlich noch mehr Experimente gebraucht, als mit dem Mate-Bier. Wir haben auch schon während unserer Braukurse immer wieder Guaraná-Biere ausprobiert. Die sind aber alle in die Hose gegangen. Das Guaraná schmeckt nämlich jedes Mal anders – je nachdem wann ich es ins Bier gebe. Ich habe also einfach irgendwann ein paar Liter Würze genommen und das Guaraná hinzugegeben: Einmal, als sie noch gekocht hat, einmal als die Würze kalt war, und einmal, als die Würze gerade gekühlt wurde. Anschließend habe ich geschaut, wo die Geschmacksunterschiede liegen. Und die waren sehr groß.

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir, wenn wir das Pulver mitkochen, eine absolute Geschmackskatastrophe bekommen. Wenn wir es zugeben, wenn die Würze kalt ist, ist es auch komisch. Wenn man es aber beim Abkühlen ein bisschen mitziehen lässt, wie einen Tee, ist es am besten. Dazu kam, dass es mit hellen Bieren überhaupt nicht funktioniert hat. Also hatten wir die Idee, es mal mit einem sehr kräftigen, dunklen Bier zu versuchen. So ist das Ale Comandante entstanden.

Was kommt als nächstes? Ein Koka-Pale-Ale?

Abraham: Witzigerweise hat man uns auch darauf inzwischen mehrfach angesprochen. Es ist aber nicht so einfach Kokablätter zu importieren. Ich fände das super spannend, aber wir haben noch ganz, ganz viele andere Ideen, bevor wir mit Kokablättern brauen. Im Moment sind wir dran, einen größeren Sud von der „Letzte(n) Hopfung“ zu machen. Darüber hinaus wollen wir gerne ein alkoholfreies Bier machen. Und ein Bier ohne Hopfen. Mir schwebt da ein altes Druidenbier vor.

Tobi: Das mit dem Druidenbier finde ich auch spannend. Meine Großeltern hatten einen Bauernhof und ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als die Wiesen voll mit Kräutern waren. Und das alkoholfreie Bier ist eine Herausforderung, weil ich wenig alkoholfreie Biere kenne, die wirklich gut schmecken.

Aktuell arbeiten wir nochmal an einem IPA mit Cluster-Hopfen, weil das unser Lieblingsbierstil ist. Cluster ist eine alte amerikanische Sorte, die größtenteils von den modernen Aromahopfen verdrängt wurde und nicht so sehr dieses krasse Fruchtaroma hat, sondern ein eher trockeneres Johannisbeer-Aroma.

Wo seht ihr euch in den nächsten ein bis fünf Jahren? Ist die eigene Brauerei schon in Planung? 

Abraham: Also in einem Jahr ist Unverhopft wahrscheinlich noch in dem Status, in dem es jetzt ist. Ich persönlich ziele auch nicht ab auf eine eigene Brauerei ab. Das würde mich wieder zu abhängig machen. Ich finde es viel spannender, sich in andere Brausysteme einzubuchen und dort dazuzulernen. Die nächsten Schritte wären eher zu überlegen, wie man mobiles Brauequipment nutzen könnte. Ich bin zu freiheitsliebend, möchte flexibel und unabhängig bleiben.

Tobi: Ich sehe das wie Abraham. Wir sind beide keine gelernten Brauer. Ich finde, wenn man eine eigene Brauerei haben möchte, muss man das Handwerk auch gelernt haben. Ich will den Kopf lieber frei haben und da schränkt so eine eigene Brauerei eher ein. Wir machen das erstmal weiter aus Spaß!

(Titelbild: Unverhopft)