Vagabund Brauerei

VAGABUND BRAUEREI: Craft Beer for the Soul

Nina Anika Klotz

Als drei Amerikaner die Vagabund Brauerei in Berlin gründeten, waren sie auf einen schlimmen Shitstorm und große Vorurteile der Deutschen (Erfinder des Reinheitsgebots!) über amerikanisches Bier (Bud-Plörre aus Dosen!) gefasst. Dann kam’s anders

Wenn man doch nur schon früher wüsste, was man später weiß, wäre man nicht immer hinterher so viel schlauer als vorher sondern schon davor. Und das wäre super.

Wenn die drei Jungs von der Vagabund Brauerei in Berlin-Wedding zum Beispiel vor einem Jahr gewusst hätten, wie famos das alles läuft, das mit ihrem Bier, der eigenen Brauerei, dem Brewpub und vor allem das mit den Deutschen, dann hätten sie vermutlich schon viel früher damit angefangen. Dann hätten sie ihre Jobs als Englischlehrer und Kindergärtner viel früher aufgegeben. Und sich eine ganze Menge Kopfzerbrechen gespart.

„Wir gingen einfach davon aus, dass es nicht leicht wird, wenn wir als Amerikaner hier in Deutschland, dem Bierland, versuchen mit ganz anderen Bieren, mit amerikansichen Bieren, durchzukommen“, erzählt Tom Crozier aus Maryland. „Zeitweise haben wir sogar überlegt, es ganz zu verheimlichen, Amerikaner zu sein. Wir haben hin und her überlegt, wie wir das machen könnten“, sagt Matt Walthall, auch Maryland. „Und wir hatten uns, als wir anfingen, unseren Businessplan zu schreiben, erst einmal total auf die Expats hier in der Stadt fokussiert. Wir dachten, die ganzen Amerikaner in Berlin sind unsere Zielgruppe, die wissen, was Craft Beer ist, das sind die easy-sells“, erinnert sich David Spengler, der aus Buffalo, New York, kommt.

Vagabund Brauerei

Der Brewpub der Vagabund Brauerei in Berlin-Wedding. Kein klassischer Szenekiez. Trotzdem fast immer voll. (Fotos: NAK)

Ziemlich genau ein Jahr ist das alles jetzt her, da ging die Vagabund Brauerei in Berlin Wedding an den Start. Entstanden aus einer Schnaps- bzw. Bieridee. Natürlich. Die drei Amerikaner spielen zusammen in einer Band. Und in dieser Band, einer Expat-Band, wurde immer viel rumgejammert, dass es in Deutschland keine so richtig geilen Biere gibt. Also keine fruchtigen Pale Ales, keine mutig-knackigen Seasonal Brews, sondern halt nur das immergleiche Pils-Helles-Weißbier-Zeug. Deshalb fingen sie an, selbst und zuhause zu brauen. „Die komplizierteste, aber auch unterhaltsamste Lösung für unser Dilemma“, sagt Crozier. Keiner der drei hat Brauen gelernt, zwei sind studierte Historiker, einer Journalist, es wurde viel gegooglet und sicherlich auch mal was zum Klo runtergespült, aber alles in allem kam dabei schon bald ziemlich gutes Bier heraus. Und der Plan, das in größerem Stil zu machen.

Faire Finanzierung: Bierabo gegen Einlage

Im April 2013 eröffneten die drei Wahlberliner eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext. 20.000 Euro Startkapital sollten her für Gärtanks, Pumpen, Zapfanlage, solche Sachen. Ziel war es, 30 Investoren für eine „Kiezbrauerei“  oder viel mehr – weil damals ja noch die anderen Berlin-Amis im Fokus standen – eine  „community supported brewery“ zusammen zu bekommen,  die je nach Einlage ein Jahr oder lebenslang alle zwei Wochen einen Liter frisches Bier bekämen. Viel schneller als gedacht, war das erreicht. „Und wir waren echt überrascht: 90 Prozent unserer Investoren sind Deutsche“, sagt Walthall.

Hätten die Vagabunden das früher gewusst, wären sie vielleicht am Anfang gar nicht so supervorsichtig gewesen. Damals, in einem ersten Interview über ihr Vorhaben, waren sie nämlich noch höchstbemüht, dem deutschen Biertrinker bloß nicht auf den Schlips zu treten: „Also es ist ja nicht so, dass deutsches Bier nicht gut wäre…“ wagte Tom Crozier sich vor. „Nein, absolut, es geht hier überhaupt nicht um Qualität“, sprang ihm Matt Walthall zur Seite. Und auch David Spengler versicherte: „Es gibt eine Menge gutes deutsches Bier. Was fehlt, ist nur die Vielfalt.“

Damals erzählten die drei auch noch, dass die Brauerei ein Nebengeschäft sein sollte, neben ihren Dayjobs her. Gebraut wurde deshalb nur einmal pro Woche, der Brewpub war an drei Abenden geöffnet, da wechselten sich die Lehrer mit den Schichten ab. Ach, hätten damals nur schon gewusst, was sie heute wissen.

Vagabund Brauerei

Auf dem Berlin Craft Bier Fest Ende Mai gewann die Vagabund Brauerei mit ihrem Szechuan Saison Platz Eins als bestes Berliner Craft Beer. (Fotos: StP)

Dass das nicht ausreicht wurde dann aber so oder so schnell klar. David Spengler schmiss seinen Job letztes Jahr im November und begann sich fulltime um die Vagabund Brauerei zu kümmern. Mag sich komisch anhören, sagt er, aber irgendwie sei Bier brauen „more fullfilling for the soul“ als English zu unterrichten. Tom Crozier zog nach und zuletzt hat nun auch Matt Walthalll seinen Job in einem Kindergarten gekündigt. „Mit eher gemischten Gefühlen“, wie er zugibt. „Ich habe das immerhin sieben Jahre lang sehr gern gemacht.“ Irgendwie werden ihm die Kinder sicher fehlen. „Und wenn ich jetzt sage: ‚Ich bin von Beruf Brauer‘ komme ich mir schon noch ein bisschen komisch vor.“

Andererseits: Mit fröhlich bis ausgelassene Menschen, die viel kichern, manchmal undeutlich sprechen und auch mal gewisse motorische Schwächen zeigen, hat man es ja im Bier-Bar-Business auch zu tun. Und das läuft bei den Vagabunden richtig gut, mittlerweile haben sie Dienstag bis Samstag geöffnet, wochenends ist es oft übervoll, oft genug sind mehr Mädels da als Jungs, die Mischung Expats-Kiezpeople-Styleberlinern funktioniere hervorragend.

Da geht noch mehr

Insofern blicken die drei fortan-also-echt-Brauer mit dem, was sie jetzt wissen, optimistisch nach vorne. Endlich können sie öfter als immer nur montags brauen. Damit dann mal Schluss ist mit den Running-Gag in der Berliner Craft Beer Szene, dass die Vagabunden die sind, mit den Superbieren, die immer schon aus sind. Fast als wären sie nur eine Fatamorgana. Kaum sind sie da, sind sie auch schon wieder weg, ausgetrunken. Und wer weiß, sagt Matt, ohne dabei wirklich viel zu sagen, vielleicht bleibt es ja auch nicht bei diesem einen Brewpub.

Tja, wenn man jetzt nur schon wüsste, was man später weiß – man wüsste tatsächlich ein bisschen mehr.

Vagabund Brauerei

Flasche leer? Nein, bald nicht mehr: Ab diesem Sommer werden die Vagabunden öfter als einmal pro Woche brauen können. (Foto: NAK)

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  • Bekannteste Biere: 
    Szechuan Saison, Imperial India Pale Ale, American Pale Ale