Qualität von deutschem Craft Beer

REINHEIT, NATÜRLICHKEIT UND QUALITÄT: Ein Zwischenruf

Christian Hans Müller

Die Qualität deutschen Craft Bieres lässt zu wünschen übrig. Das findet der Aschaffenburger Brauer Christian Hans Müller, Gründer von Hanscraft & Co. Und das ist ein riesengroßes Problem. Für ihn – und alle anderen Craft Beer Brauer. Deshalb hier ein „Hallo, wach!“-Ruf:

Vorweg: Eigentlich halte ich mich lieber bedeckt mit öffentlicher und direkter Kritik an Kollegen, weshalb ich zuletzt eher beobachtet und geschwiegen habe, während sich andere zeitgleich und zum Teil irrtümlich feiern ließen. Aber! Aber nun muss doch etwas raus. Es geht um Reinheit, Natürlichkeit und keinesfalls zu vergessen: um Qualität. Zum Glück gibt es sie noch, die Beispiele namhafter, altgedienter Kollegen, die das genauso sehen.

Qualität von deutschem Craft Beer

In der Kritik: Die Qualität von deutschem Craft Beer. (Foto: StP)

Aber gerade jetzt, wo immer noch viel über Regeln und Reinheit gesprochen wird, und neuerdings endlich auch über Natürlichkeit und Kreativität, scheint das Thema Qualität mehr und mehr ins Hintertreffen zu geraten.

Reinheitsgebot hin oder her. Reinheit aber ist wichtig.

Doch fangen wir vorne an: Reinheit ist wichtig. Davon leben wir und manch kleinem, „vermeintlichen“ Craftbrauer scheint nicht bewusst zu sein, wie wichtig die Reinheit unserer Biere ist. Reinheit im Sinne von: Fehler- und einwandfreie Biere. Die Großen haben das erkannt. Sie verdanken es der Reinheit ihrer Biere, eine konsequent gleichbleibende, wenn nicht wirklich herausforderungsvolle, aber effektiv erzielte Qualität ihrer Biere hinzugekommen. Konstante, reine Produkte. Das kann denen keiner absprechen.

Und genau so wichtig: Natürlichkeit.

Wo die Großen weniger gut mitspielen können und deshalb für uns kleine Brauer vielleicht noch viel wichtiger: Das Thema Natürlichkeit. Überspitzt ausgedrückt: Es will doch niemand wirklich die Playmobil-Burgen und -Piratenschiffe seiner Kinder schreddern, um sie als Filtrierhilfsmittel in Lagerbiere geben, oder? Stichwort PVPP, Extrakte, Klärmittel, Farbebiere: Um diese Kernthemen reden wir uns momentan die Münder fusselig. Zurecht, auf der einen Seite, gerade, weil die Craft Beer Szene weiter wächst, weil immer mehr neue, studierte und nicht studierte, Brauer dem mittlerweile in die Jahre gekommenen Aufruf folgen, sich mit dem Brauerhandwerk selbständig zu machen. Dabei wird mancherorts das Thema Qualität aber total vernachlässigt.

Qualität von deutschem Craft Beer

Halb voll? Ganz leer? (Foto: StP)

Das allerwichtigste aber: Qualität.

Ich spreche von Qualität, als Ergebnis ordnungsgemäßen und verantwortungsvollen Umgangs mit ehrbaren Rohstoffen. Ich habe auch im Ausland schon viel gesehen und wurde positiv überrascht, aber auch negativ – und das in ziemlich ungleichem Verhältnis zugunsten (oder zulasten) der negativen Überraschungen. Ist halt so. Wenn man die Hintergründe kennt und sieht, muss man sich auch nicht fragen warum. In Deutschland war das nie so krass. Die Fähigkeit, gute Biere zu machen, spannende Biere zu machen, Reinheit und/oder Natürlichkeit zu leben, scheint wohl eine Tugend der ansässigen Brauereien alter und junger Generation zu sein.

Bisher! Tatsächlich hat sich die Lage verändert. Was sich inzwischen auf den Festivals als tolle, neue Marke herausputzt, erfüllt alles andere als den Standard, den wir, die Leute aus der ersten Generation der Craftbier-Bewegung in Deutschland, noch gewohnt waren und uns zum Vorbild und zur Benchmark gemacht haben. Man könnte meinen, es werden plötzlich Biere abgefüllt, die selbst in der abfüllenden Brauerei keiner sensorischen Prüfung standgehalten hätten, aber trotzdem abgefüllt werden, weil zur Not sagt man sich: „Ist doch Craft – da kann jeder interpretieren was er will“.

Nein, kann er nicht! Und nur anders zu sein, um anders zu sein, heißt noch lange nicht, besser zu sein.

Mehr Selbstkritik!

Mein Appell an alle deshalb: Leute, wenn ihr brauen wollt, dann macht das. Aber wenn ihr für die Öffentlichkeit brauen wollt, dann macht es richtig! Haut keine Biere raus, die ihr selbst nicht trinken würdet.

Ganz ehrlich: Bei mir ist auch nicht jede Abfüllung gleich, aber für mich muss sie dennoch Mindestanforderungen erfüllen, die ich selbst sehr hoch aufhänge. Tut sie das nicht, wandert sie in den Gulli. Tut weh, aber nur mir – und keinem anderen. Gibt es Reklamationen, zeigen wir uns so gut es geht kooperativ und kulant.

Hört auf damit, wild Rohstoffe zu kombinieren, die nicht zusammenpassen und je nach dem, was dabei raus kommt, wird noch mal überlegt, als was man das jetzt in Verkehr bringen könnte. Lasst das! Keiner kann mir erzählen, dass er selbst dahinter steht.

Qualität von deutschem Craft Beer

Damit auch schmeckt, was auf den Tisch kommt. (Foto: StP)

Euer schlechtes Bier geht uns alle an

Warum ich mich so aufrege? Über das schlechte Bier anderer Brauer? Weil Craft Beer noch immer ein zartes Pflänzchen ist, das wächst, und weil nun neben den Versuchen der Großindustrie, sich auf unserem Terrain zu bewegen, auch ein Teil der nachwachsenden Generation bewirkt, dass bei den Leuten da draußen der falsche Eindruck entsteht, was Craft Beer tatsächlich ist. Damit verlieren wir zwar nicht das Vertrauen unserer Kunden –im Gegenteil – aber wir werden es schwer haben, den Kreis der Interessenten sukzessive auszubauen und unsere eigene Qualität für uns sprechen lassen zu können. Wir mit unseren Teams, die unseren Qualitätsanspruch wertschätzen, unseren Weg mitgehen und teilweise Familien zu ernähren haben, sind die Leidtragenden dabei, wenn solche „Zaubertränke“ das erste sind, was ein interessierter, aber noch unerfahrender Mensch mit Craft Beer in Verbindung bringt. Vermutlich können auch wir ihn dann nicht mehr retten. Dann ist Craft Beer für ihn kein Thema mehr. Weil. „Pfui, wenn Craft Beer so schmeckt, dann Nein, Danke.“

Wir alle dürfen nie vergessen: You’ll never get a second chance to make a first impression.
Deshalb muss die Qualität jedes einzelnen Bieres stimmen, das ihr verkauft. Und deshalb müssen wir mehr und ganz offen über Qualität sprechen.

Qualität von deutschem Craft Beer

Schmeckt’s allen, geht es auch allen besser. (Foto: StP)