loncium biermanufaktur

BIERMANUFAKTUR LONCIUM: Freestyle geht irgendwann nicht mehr

Clarissa Omiecienski

Zwei Kindheitsfreunde aus Österreich gründen eine Brauerei – aus purem Spaß und im Nebenberuf. Heute, zehn Jahre später, machen sie 3.000 Hl Bier im Jahr, betreiben ein Bierhotel und sind Heimat vieler internationaler Gypsie-Brauer 

Alois Planner und Klaus Freistritzer haben jedenfalls 2007/2008 den Sprung vom Küchenhandtuch und Omas Suppentopf in die eigene Brauerei gewagt. Dieser fiel wohl „relativ soft“ aus, denn die beiden haben mehrere Jahre lang ihr Bier nebenberuflich gebraut, um zu sehen, ob das denn alles so funktioniert wie sie sich das gedacht haben. Heute sind die beiden Kärntner seit über 10 Jahren im Geschäft und wissen eines ganz sicher: Qualität ist oberste Priorität.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Wir kennen uns aus der Kindheit – wir sind zusammen aufgewachsen. Der Klaus ist ein Jahr jünger als ich, aber das relativiert sich ja im Alter.

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Das aktuelle Sortiment (Foto: LB)

Und wie ist das dann wirklich losgegangen bei euch?

Der Klaus war sozusagen der Mutige und hat seinen Job als Erster an den Nagel gehängt, um Vollzeit in der Brauerei zu arbeiten. Ich hab dann vor vier Jahren meinen Brau- und Mälzermeister gemacht, in München. Da waren wir gerade in der Investitionsphase für die Brauerei.

Was habt ihr denn davor gemacht?

Ich bin ursprünglich Betriebswirt, habe in Krems BWL studiert. Und mein Nachbar dort, der war Hobbybrauer und hat mich sozusagen mit einem seiner Biere vergenusswurzelt. Er hat immer gesagt: Komm, probier mal mein Bier, was ich selber braue und so. Ich wollt gar nicht, ich hab mich immer geziert. Bis ich’s dann doch einmal gemacht habe. Da haben wir in seinem Wohnzimmer gesessen und er hat da seine Flaschen angebracht und ich hab‘ probiert. Das war ein richtig gutes Bier.

Und halt selber gemacht!

Ich war total begeistert, dass so gutes Bier aus dem Suppentopf kommen kann. Das habe ich dann dem Klaus erzählt und der war auch gleich hellauf begeistert – Bierbrauen ist ja auch ein cooles Hobby. Klar, die ersten Sude sind voll in die Hose gegangen. Das war eine zache Zeit. Du musst dich ja von der Pike auf einlernen und einlesen. Du hast ja am Anfang gar kein Gespür für die Sachen, das braucht eine Weile. Aber so haben wir über unser Hobby unsere Berufung gefunden. Besser hätte es nicht laufen können.

Wer von euch hatte die Idee zur Gründung von Loncium? Wie hat sich das entwickelt?

Joa, ich glaube bei so einer Entscheidung, kann nicht nur einer die treibende Kraft sein. Das sind nämlich wirklich harte Jahre, wenn man ein Unternehmen startet, da müssen schon beide gleich genormt sein und sich gut ergänzen. Wir haben über sehr viele Jahre gratis gearbeitet – viel Zeit und auch Kapital reingesteckt und durchgehalten. Wir können uns z.B. auch erst seit 4-5 Jahren überhaupt ein monatliches Gehalt auszahlen. Da sind halt schon hohe Investitionen für Tanks, Abfüllanlagen etc. im Spiel. Freestyle geht dann nicht mehr sondern da muss eine halbwegs vernünftige Idee her.

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Mittlerweile ganz schön groß – die heiligen Hallen von Loncium (Foto: LB)

Was war das Schwierigste dabei?

Hindernisse gibt’s  so einige auf dem Weg. Zuallererst muss man versuchen ein konstantes, gutes Produkt am Markt zu bringen. Da gibt es so viel zu beachten, was die Mikrobiologie, Sauerstoff, Licht, Kühlketten, Produktions- und Mitarbeiterplanung, Unternehmensführung generell angeht– das ist eine ganze Litanei, die so ein Business mit sich bringt. Dann denkt man, man hat das Gröbste hinter sich, da kommt was Neues. Dann das ganze Vertriebs- und Salesthema, man will ja sein Produkt gut an den Mann bringen. Gesetzeslage, Produktion, Investition, Expansion – das alles ändert sich ständig und als Brauer will und muss man da auch mithalten.

Wie habt ihr es trotzdem geschafft?

Qualität muss großgeschrieben werden, das ist ganz klar, das setzt sich einfach durch. Das heißt auch, dass man weiter ausholen muss und bis in die Details des Brauprozesses gehen. Sierra Nevada z.B: die haben sich sehr schnell um ein gutes, konstantes Produkt gekümmert. Wie gesagt: Qualität und feine Details sind der Schlüssel, andernfalls gibt es zu viel gute Konkurrenz.

Wie seid ihr zu eurem Namen gekommen?

Loncium ist der alt-römische Name unserer Dorfsiedlung. Ursprünglich war es eine Keltensiedlung aber in der Zeit der Römer hatte unser Dorf eine wichtige strategische Lage an der Handelsstraße Via Julia Augusta. Über den Gebirgspass, den Plöckenpass ist man nach Mauthen (heutiger Name) gekommen – da hat man auch Maut gezahlt, daher der Name. Loncium haben wir dann für unsere Brauerei übernommen. Ist nicht der einfachste Name, marketingtechnisch auch ein kleiner Supergau, aber inzwischen haben sich die Leut daran gewöhnt. Wenn man’s oft gehört hat, geht das schon.

Und das Wappen auf eurem Bier?

Bär und Drachen sind die Wappentiere der Ortschaft. Die werden eingeschlossen in Ähren von Braugerste und Hopfen – steht für die Rohstoffe sozusagen und der Strich mittendurch das ist der Fluss : die Gail, die durch die Ortschaft fließt.

Wie viel braut ihr im Jahr durchschnittlich eigentlich?

Wir brauen circa 3000 Hektoliter, damit sind wir ganz gut ausgelastet. Wir müssten jetzt eigentlich schon wieder neue Tanks dazustellen. Wir machen nämlich viele Lagerbiere mit einer klassischen Lagerzeit, so 6-8 Wochen. Zur Zeit befüllen wir die Lagertanks so 5-6mal im Jahr, den großen Tank füllen wir oft auf zweimal in Flaschen ab. Deswegen sind wir da schon fast an der Grenze.

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Idyllisch gelegen – Brauerei und Bierhotel (Foto:LB)

Bei euch ist ja auch Gypsy Brewing möglich – wird das denn viel in Anspruch genommen? Auch international?

Na, wir haben stetig Anfragen aus Slowenien, Deutschland, Italien, Österreich –  wir suchen vor allem langfristige Braupartnerschaften. So wie z.B. mit Next Level Brewing seit zwei Jahren. Unsere Brauerei ist halt auch extrem prädestiniert für Gypsy-Brewing, weil wir die Biere gut skalieren können, da wir, inklusive unserer Abfülle, einen ziemlich großen Maschinenpark aufgebaut haben. Für Spezialgrößenabfüllungen beispielsweise kriegen wir vor Weihnachten viele Aufträge verschiedener Großbrauereien.

Und dann gibt es ja noch das Bierhotel?

Ja genau, das Bierhotel und die Brauerei sind ein Gebäudekomplex. Das Hotel macht meine Frau, die Barbara. Wir sind mittlerweile 5-6 Mitarbeiter/innen in der Brauerei und nochmal 6-7 für das Hotel. Und da können wir Bier und gutes Essen super vereinen, ich komme ja aus der Gastronomie.

Was macht für euch ein gutes Bier aus?

Zuerst muss es stilgerecht und fehlerlos gemacht sein. Ich meine, chargenweise läuft überall mal schlechtes Bier raus. Wichtig ist da einfach die regelmäßige Kontrolle und Analyse der Biere, alles andere ist ein absolutes No Go und wir investieren da viel in solche Dinge. Bei uns wird jede Charge geprüft, das ist natürlich auch schon extrem. Ich will aber einfach nachts gut schlafen können und wissen, dass ich ein gutes Bier mache.

Wie kommt ihr zu euren Sorten?

Wir machen das was uns Spaß macht. Zurzeit haben wir zwei lustige Projekte. Ich habe mich mit Christoph von Bierol ‚zammgeredet – die haben das zu allererst gemacht, jetzt probieren wir das mal aus: Wir wollen 1/3 des Malzes durch Knödelbrot ersetzen. Wir holen uns also den Extrakt aus dem Brot. Das finde ich total ein cooles Thema, Weltklasse eigentlich, weil man so Brot recyceln kann, das normalerweise weggehauen wird. Dann arbeite ich gerade an einem alkoholfreien Pale Ale. Da steckt viel Potenzial drinnen, wegen der ganzen Autofahrerei. Ich trink‘ einfach gerne Bier, bin aber häufig mit dem Auto unterwegs und da bin ich bestimmt nicht der Einzige. Ansonsten haben wir eher das Problem, dass wir nicht wissen, welche Sorten wir aussortieren sollen und kommen deshalb sogar manchmal mit der Produktion nicht nach.

Und grenzt ihr euch von „normalem“ und Traditionsbier ab? Wenn ja, in wieweit schafft ihr das, ohne den Begriff Craft zu verwenden?

Eigentlich grenzen wir uns gar nicht ab. Craft ist grundsätzlich gut, der Begriff wird allerdings ein bisschen inflationär, wie ich finde. Wir haben 15 Malzsorten, 15-20 Hopfensorten, und 8 verschiedene Hefestämme. Wir machen Fruchtbiere, Earl Grey infused IPA, Barrelaged-Biere und Gosen – zwischendurch auch mal ein Helles, Zwickel- oder Kellerbier. Das sind ja auch schöne Bierstile und wenn sie gut gemacht sind, dann sind die auch irgendwie Craft – oder so ein schönes hoppy Lager ist natürlich auch geil. Da kann man jetzt superviel diskutieren – Labeling ist da nicht so unser Ding. Wir sind auch Bio-zertifiziert, das wissen die meisten gar nicht.

Gerade das Regionale und Bodenständige ist den Leuten wieder wichtiger geworden. Viele Leute wollen gerne etwas trinken, das sie runterholt. Mir sind keine polarisierende Brauerei, das muss man ganz klar sagen. Bier ist immer Geschmackssache, auch die Industriebiere, so schlecht sind die nicht, sonst gäbe es die gar nicht mehr. Schade ist nur, dass die alle ähnlich sind. Und das Bier darf nicht verramscht werden. Bier ist nämlich ein geiles Produkt.

Ist es möglich, nach 10 Jahren eine Bilanz zu ziehen?

Eine Brauerei ist auf jeden Fall ein langfristiges Projekt – wir sind gut aufgestellt, würde ich sagen, und versuchen das Wachstum eher ein bisschen zu drosseln. Ich denke, es ist sinnvoller sich moderat zu vergrößern und in den kommenden 10 Jahren auch noch zu sein. Nur so kann man die Qualität der Biere gewährleisten.

Wo kann ich denn euer Bier trinken?

Man kann uns nicht überall in Österreich trinken – wir haben ein paar Getränkehändler, die unser Bier vertreiben. Sonst sind wir eigentlich eher regional aufgestellt.

Wie sieht es mit dem deutschen Markt aus?

Tatsache ist: Wir haben Schwierigkeiten mit dem deutschen Pfandsystem. In Österreich gibt es nur Einwegglasflaschen und da sind die Etiketten nicht abwaschbar. Mit den Bottleshops wär‘ es kein Problem, wir sehen aber auch, dass es in Deutschland einfach schon ein großes Craft Beer Angebot gibt. Dann habt ihr ja das starke Nord- /Südgefälle, was den Biergeschmack angeht, da weiß man eh nicht wo das ganze Werkl hingeht.

Wieso soll ich ab sofort nur noch Loncium-Biere trinken?

Das will ich gar nicht. Die Leut‘ sollenn ein anderes Bier trinken um draufzukommen, dass Loncium trotzdem besser war. Ne Schmarrn, aber wichtig ist es wirklich, das Bier so gut zu machen, dass die Leute wiederkommen, weil sie begeistert sind und es ihnen gut schmeckt.