BIEROTHEK: „Wir fürchten keinen Wettbewerb“

Jakob Kube

Mit neun Filialen ist die Bierothek der wohl größte stationäre Craft Beer Einzelhändler Deutschlands. Wir haben mit dem Gründer Christian Klemenz über Wachstumspotential und Hürden des Bierhandels gesprochen

Only the lonely: „Als ich St. Erhard gegründet habe, dachte ich zunächst, dass ich ziemlich alleine auf weiter Flur bin, so als Quereinsteiger, ohne aus einer Brauerfamilie zu kommen, eine eigene kreative Biermarke zu starten“, sagt Christian Klemenz und muss bei diesem Gedanken eigentlich selbst ein bisschen lachen. Denn: Natürlich erkannte er schnell, dass es eine ganze Menge Gleichgesinnter gab, die mit ihm gemeinsam die neue Bierbewegung in Deutschland ins Rollen brachten, indem sie, unabhängig, mutig und kreativ, mit ihren Brau-Start-Ups ins Biergeschäft einstiegen.

Nur: Gutes Bier zu brauen, ist eine Sache. Es dann auch zu verkaufen, eine ganz andere.

Dabei reden wir jetzt nicht davon, dass es nicht genügend Biertrinker da draußen gäbe, die Bock hätten, auf gute, neue Biere, nein. Die Möglichkeiten, die zu den Leuten zu bringen, sind eher das Problem. Oder waren es.
Ganz bestimmt war das 2011 so, als mit Christian Klemenz ein fränkischer BWLer mit Hobbybrauerambitionen auf die Idee kam, ein Bierbusiness zu gründen. Eine richtige Handelsinfrastruktur für diese besonderen Biere, man mag sie nun Craft Beer oder Kreativbiere nennen, gab es schlicht und einfach nicht. Also hat Klemenz das selbst gemacht.

Bierothek

Aaaaaah… sagt der Bierfreund beim Blick in die Bierothek. (Foto: Bierothek)

Mit der Gründung von St. Erhard (wie der bayerische Bischof einst) hat Klemenz zugleich die Bierothek ins Leben gerufen. Den ersten Laden hat er an seinem Stammsitz in Bamberg eröffnet, aber von Anfang an mit der Ambition, das wachsen zu lassen. Mittlerweile gibt es deutschlandweit neun Filialen – und das jeweil in richtig guten Lagen u.a. in München, Stuttgart, Nürnberg, Leipzig und Erlangen. Damit dürfte die Bierothek größte stationäre Craftbeer-Einzelhändler in Deutschland sein.

Gefühlt trölfzig Mal hat sich der Franke seit dem die Frage stellen lassen müssen, ob und warum es denn in Deutschland, in Bayern, ach, ausgerechnet in Franken (!) jetzt noch ein neues Bier und – schlimmer noch – einen Bierladen mit 300 Bieren geben müsse, die aus aller Welt und eben nicht aus aller fränkischen Dörfer stammen. Dabei versteht Klemenz seine Bierothek eben gern als ein Tor zu einer neuen Bierwelt jenseits der heimischen Halben. „Dabei versuchen wir die Hürden möglichst niedrig zu halten“ sagt er und meint damit, dass in seinen Geschäften auch der Helles-Trinker, der sich abenteuerlustig fühlt, etwas findet, das ihn nicht erschreckt, dass hier nicht die verrücktesten Biere des erdballs in den Regalen stehen (aber eben halt vereinzelt auch ein paar).

Wie entscheidet Ihr, welche Biere Ihr in Euer Sortiment nehmt? Habt ihr spezielle Kriterien?

 In einem wöchentlichen Conference Call sprechen wir mit all unseren Filialleitern über unser Sortiment, über das, was derzeit nachgefragt wird. Uns werden aber auch Sachen angeboten. Brauer schicken uns Biere zu, wenn sie in unser Sortiment aufgenommen werden wollen. Wir verkosten die Proben dann nach einem standardisierten Prozess und machen eine sensorische Beurteilung aus Sicht eines Biersommeliers (Christian Klemenz ist auch Biersommelier, Anm. der Red.). Verkostungen machen wir alle zwei Wochen mit Hilfe eines Excel Sheets mit 20 Attributen und dann wird jedes Bier genau auseinandergenommen. Bei einem Mal verkosten wir schon so dreißig, vierzig Biere. Dazu kommt dann noch eine wirtschaftliche Bewertung, welche aber von der sensorischen Beurteilung strikt getrennt wird. Wir gucken uns die Einkaufspreise und Lieferbedingungen an. Danach entscheiden wir, ob wir das Bier im Sortiment aufnehmen oder nicht.

Bierothek

Und nochmal: Aaaaaaah! (Foto: Bierothek)

Wie wirtschaftlich ist der Handel mit besonderen Bieren und welches Wachstumspotential siehst du?

 Bei speziellen Stilen wie IPA oder Imperial Stout ist es vollkommen klar, dass sie die altbekannten deutschen Bierstile nicht ersetzen werden oder auch nicht annähernd in deren Absatzvolumen kommen werden. Aber als Nischenprodukt sehen wir schon immer noch eine deutliche Wachstumsperspektive. Auch wenn der Begriff Craft Beer mittlerweile deutlich weiter verbreitet ist und viele Leute davon gehört haben. Wirklich bewusst getrunken haben es noch lange, lange, lange nicht alle Deutschen. Da gibt es einen großen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung und der Realität, wie viele Leute sich wirklich schon damit auseinandergesetzt haben. Es ist ein Nischensegment und wird auch ein Nischensegment bleiben, aber selbst wenn wir jetzt einen Sprung von 0,5 Prozent auf 1 Prozent am Gesamtbiermarkt machen, dann hätten wir uns ja schon wieder mal verdoppelt.

Seht ihr keine Gefahr durch große Handelsketten, die in den Craft Beer Vertrieb einsteigen könnten?

Wir fürchten keinen Wettbewerb und auch wenn große Handelsketten sich dem Thema mehr annehmen, dann können sie trotzdem nie das bieten, was wir bieten. Wir werden immer die größere Vielfalt haben, einen Schritt voraus sein und uns mit den Produkten besser auskennen. Wir haben echte Leidenschaft für das Produkt. Und das ist dann letztlich auch das, was die Kunden wollen, was sie begeistert. Wir sind überzeugt von dem, was wir tun.

Bierothek

Christian KLemenz, St. Erhard und Bierothek, und Georg Rittmayer von der Brauerei Rittmayer (Foto: Bierothek)

Neben den St. Erhard Bieren hast du letztes Jahr gemeinsam mit der Brauerei Rittmayer ein altes Bamberger Weißbier wieder neu aufgelegt. Wie kam es dazu?

 Im Jahr 1917 hat die ehemalige Bamberger Weißtaubenbräu ihren Braubetrieb eingestellt, obwohl sie noch wenige Jahre zuvor eine der größten Bamberger Brauereien war und die erste und einzige, die ein Weizenbier herstellte. Zu ihrer damaligen Blüte hat sie ein gewisser Georg Rittmayer aus Forchheim geführt. Sein heutiger Namensvetter und vermutlicher Urahne aus Hallerndorf Georg Rittmayer hat mich dann gefragt, ob wir nicht gemeinsam zum Jubiläum die alte Marke wiederbeleben wollen.

Die weiße Taube hat einen starken historischen Bezug. Wie seid ihr an das Bier herangegangen, um dessen Geschichte zu erzählen?

 Wir haben uns dem so genährt, indem wir versucht haben ein Weizenbier nach historischem Vorbild zu brauen. Dazu hat es auch eine soziale Komponente. Die Gaststätte der Brauerei gab es noch bis in die 1940er Jahre und sie lag zufällig neben der damaligen Bamberger Synagoge. In der Nazizeit hatte die Brauereigaststätte dann eine Art Ghetto-Funktion. Mit einem Teil der Verkaufserlöse finanzieren wir daher Stolpersteine in Bamberg, die an die Namen deportierter Juden erinnern sollen. Auch ein Zeichen auf dem Etikett der Flasche ist doppeldeutig. Zum einen ist der Stern das ursprüngliche Symbol der Brauerzunft und zum anderen ist es ein Judenstern.