Brauerei Sander

BRAUMANUFAKTUR SANDER: Von Wein zu Bier, das rat ich dir

Nina Anika Klotz

Ulrich Sander kommt aus einer Winzerfamilie und macht in der Brauerei Sander, oder richtig Braumanufaktur Sander, jetzt Bier. Craft Beer, aber halt ohne tätowierte Unterarme. Und in Worms. Ein „Fuck-Off Ale“ habe er auch nicht im Portfolio, sagt der Braumeister. Ändert aber nichts: Sander ist einer von Deutschlands Craft Beer Pionieren

An einem Abend vor zwanzig Jahren setzt sich Ulrich Sander an den Abendbrottisch und sagte: „Papa, weißt du was?“ Der Vater schaut auf. „Weißt du, was die größte Kunst beim Bierbrauen ist?“ Der Vater trinkt einen Schluck Wein und zuckt mit den Schultern. „Was denn?“ Der Sohn, seit einer Woche bei Henninger in Frankfurt Brauer- und Mälzerlehrling, holt tief Luft: „Die größte Kunst beim Bierbrauen ist es, aus wechselnden Naturrohstoffen ein immer gleiches Produkt zu machen.“ Der Vater lacht. Uli auch. Weil: Für sie beide klingt das ziemlich verrückt.

Brauerei Sander

Wein und Bier dicht beieinander: Ulrich Sander lässt sein Bier in Weinfässern seines Bruders reifen (Foto: NAK)

Die Familie Sander in Mettenheim, Rheinhessen, betreibt das älteste Ökoweingut Deutschlands. Seit drei Generationen bewirtschaften sie ihre Weinberge biodynamisch und füllen jedes Jahr Weine ab, die natürlich alle immer anders schmecken. War der Sommer heiß oder verregnet, wann kam der Frühling, lag im Winter ordentlich Schnee? Kommen die Rieslingtrauben aus dieser Lage oder von jener, wie alt sind die Reben, wandelt sich das Klima – das alles hat ganz selbstverständlich Einfluss auf den Geschmack des fertigen Weins. Und nie, niemals würde ein deutscher Winzer versuchen, alle seine Weine so gleich wie möglich zu machen. Ein Naturprodukt kann per se nicht konstant sein. Und es liegt ja auch ein besonderer Reiz darin, von Jahrgang zu Jahrgang andere gute Weine zu machen. Auch der Verbraucher mag das so, irgendwie.

Du Wein, ich Bier

Früh ist klar, dass Ulrichs älterer Bruder Stefan das Weingut einmal übernehmen würde. Als Uli sich nach dem Abitur für die Brauerlehre entscheidet, unterstützt die Familie das sehr. Wein und Bier, das rat ich dir, und so ähnlich. „Erst als ich ihnen Jahre später eröffnet habe, dass ich eine eigene Brauerei gründen will, haben sie an meinem Verstand gezweifelt“, sagt Uli Sander. Hier steht er nun in seiner eigenen Brauerei, der Braumanufaktur Sander in Worms und sieht wach aus und sehr geordnet, gar nicht wie jemand mit wirrem Verstand.

Brauerei Sander

Ulrich Sander schaut, wie’s umsein Bier steht. (Foto: NAK)

1999 geht Uli Sander für zwei Jahre nach Berlin, um an der VLB seinen Abschluss als Diplom Braumeister zu machen, dann bekommt er einen Job als Inbetriebnehmer von Filteranlagen bei Steinecker/Krones. Fünf Jahre reist er um die ganze Welt, arbeitet in Russland, der Slowakei, Brasilien. „Ich würde sagen, ich war 80 Prozent des Jahres unterwegs“, erzählt Uli Sander.

So etwas ist cool, für eine gewisse Zeit. Dann sehnte Sander sich nach etwas mehr Beständigkeit – und Heimat. „Ist ja so: Das Gefühl von Heimatverbundenheit kommt erst, wenn man nicht da ist.“ 2008 kehrt er nach Rheinhessen zurück, übernimmt einen Job in der  Konstruktion und Entwicklung von KHS in Bad Kreuznach. „Mein Thema da war PVPP“, sagt Uli Sander und grinst verschwörerisch. Das Buh-Zeug. Aus heutiger Sicht, als Craft Brewer. „ Meine letzte große Aufgabe bei KHS war ein Sieben-Millionen-Projekt für AB Inbev mit Anlagen, wo in der Stunde 1350 Hl durchliefen. Das mache ich jetzt ungefähr im Jahr“, sagt er und lacht.

Hopfen hat Malz verloren

Uli Sander führt durch seine geräumige Brauerei in einem Wohn- und Industriegebiet im Süden von Worms. Hübsche 5-Hektoliter-Anlage, stand früher mal in einer slowenischen Gasthausbrauerei, gebraucht, aber kaum genutzt. „Hallo, Hopfi!“, sagt Uli und streichelt im Vorbeigehen eine dunkelgraue Katze. Die wohnt hier. Es gab auch mal Malz, aber der ist weggelaufen. Keine Ahnung, vielleicht eher der Weintyp gewesen. Sander zeigt seine Abfüllanlage mit Flaschenwaschanlage, Platz für ein ordentlich sortiertes Lager hat er hier auch und sogar ein paar Holzfässer liegen da schon. Weinfässer. Vom Bruder. Klar.

Brauerei Sander

Das Thema Barrique liegt irgendwie nahe. (Foto: NAK)

Jetzt ist da Bier drin, aktuell ein Heller Bock. Davor ein Porter, drei bis vier Monate lang. „Der hat da eine wirklich schöne Wein- oder man kann auch sagen Sauerkirschnote bekommen“, erzählt Sander. Der Winzersohn plant – und irgendwie leuchtet das auch total ein – das Thema Barrique, mit dem er ja quasi von Kindheitstagen an vertraut ist – als Brauer weiter auszubauen.

Brauerei? Das geht doch nicht

Früher war das Gebäude, in der jetzt die Brauerei Sander ist, das Werk einer mittelständischen Bäckerei. Das brachte den Vorteil, dass so ein paar Dinge, die sein müssen, wenn man irgendwo Lebensmittel produzieren will, schon saßen, gefließte Wände und so Zeug. Trotzdem war es nicht einfach, aus der Nibelungen-Bäckerei die Brauerei Sander zu machen. Die Frau bei der Stadtverwaltung stellte sich quer: „Mach ich nicht“, hat die einfach gesagt, als am 23.April 2012 ein gewisser Ulrich Sander vor ihr stand und sagte, er würde gern eine Brauerei als Gewerbe anmelden. „Hat sie noch nie gemacht, in all den Jahren. Sie wusste schlicht nicht, was da zu beachten wäre und hat erstmal ‚geht nicht‘ gesagt“, erzählt der Brauer. Irgendwie konnte er sie sogar ein bisschen verstehen: Auch als er studierte waren Brauereigründungen auch einfach kein Thema, in Deutschland wurden keine neue Brauereien gegründet, so etwas passierte einfach nicht. Es gab Übernahmen und Generationswechsel – aber so ganz neu? Das fing frühestens 2010 oder 2011 an. Im Berlin und so. Bis das dann in Worms ankam…. dauert halt.

Brauerei Sander

Das Sudwerk in der Brauerei Sander war früher mal in Slowenien in Gebrauch und blubbert jetzt in Worms vor sich hin. (Foto: NAK)

„Das Ding war: Ich konnte zu der Frau auf dem Amt ja nicht sagen, dass das mit der Gründung unbedingt an diesem Tag durch gehen müsse, nur weil ich abergläubisch bin“, sagt er. Er hatte sich doch extra und ganz bewusst den 23.April, den Tag des Bieres ausgesucht. Das sollte Glück bringen. Und außerdem hatte er nur heute einen Urlaubstag –als Ulrich Sander seine Brauerei gründete, war er noch Vollzeit Angestellter bei KHS.

Brauerei Sander: Start auf dem Weingut

Seinen ersten für den Verkauf gedachten Sud braut Uli Sander deshalb auch an einem Feiertag, am 3.10.2012 auf dem Hof seines Bruders, in der Kelterhalle, wo sonst Trauben von Hängern geladen und gemostet werden. „Der war da auch noch mit der Weinernte beschäftigt und ich stand auf einer Fläche von 12 auf 8 Metern und habe gebraut.“ So ging das einige Monate, irgendwie. Stefan Sander, der Bruder erinnert sich zu gut. „Und der Geruch! Immer wenn ich sonntags in Ruhe in den Weinkeller wollte ein paar Sachen erledigen, dann roch das da wie auf einer Marihuana Plantage, weil der Uli wieder irgendwas gehopft hat.“ Ein bisschen froh war der Winzer schon, als der Brauer nach Worms in sein Werk umziehen konnte.

Brauerei Sander

Wolln’se mal was probieren? Der Tastingroom der Brauerei Sander in Worms (Foto: NAK)

Von dort aus knöpfte sich Ulrich Sander zu allererst den lokalen Biermarkt vor. Potential gab es, die nächste größere, irgendwie „regionale“ Brauerei um Worms herum ist Eichbaum in Mannheim. Weit genug weg, anderes Kaliber. Gerade die familiengeführten Getränkeabholmärkte im 100-Kilometer-Umkreis interessieren sich für das besondere Bier. Achtzig Prozent seines Umsatzes macht Ulrich Sander in der Region. Der Bestseller seiner acht Sorten Bier ist das Pils No.1, er hat aber auch gleich zwei Produktlinien, die weit weg von „normalen“ Bierstilen sind, „Sander Seasonal“ und „Sander Limited“. Unter diesen Namen kann er außerordentliche Bock-Biere oder Collaboration-Sude verkaufen. „Ich weiß, dass ich nicht als der typische Craft Beer Brauer gelte, weil ich kein ‚Fuck-Off Ale‘ braue“, sagt Uli. Ob das nun gut ist oder nicht? Den Craft Beer Begriff hält er wie die meisten Brauer für kompliziert, missverständlich und aufgeblasen, von daher ist das schon OK. Auch wenn Sander eigentlich doch craft as craft can be ist.

Brauerei Sander

Hier zapft der Brauer noch selbst. Manchmal. (Foto: NAK)