Brauhaus Neulich

BRAUHAUS NEULICH: Das drei-und-mehr-davon Bier

Nina Anika Klotz

Vom Campingplatz in den Elektro-Schuppen: Die Macher des Brauhaus Neulich in Neukölln bringen Craft Beer in die Berliner Club-Szene.

Eine kleine Theorie vom Glück könnte die sein: Am Ende aller Träume steht ein Haus am See. Da wohnt das Glück, das wir uns wünschen, alle, insgeheim.

Wenn es nach dieser Theorie ginge, hatte Steffen Brückner das Glück eigentlich schon gefunden. Er hat zwar kein Haus am See, dafür aber einen Campingplatz. Und darauf eine Menge Hütten, Jurten, Wohnwagen und allerlei, in dem man, wie in einem Haus am See eben auch, sitzen und glücklich aufs Wasser blicken kann.

Brauhaus Neulich

So schaut’s aus, bei Tageslicht: das Brauhaus Neulich in Berlin-Neukölln. (Foto: NAK)

Er hat diesen Campingplatz am See nicht allein, sondern gemeinsam mit 29 Freunden, die vor geraumer Zeit einfach mal zusammengelegt und sich sechs Hektar Brandenburg gekauft haben und seitdem dort Dinge machen, die (Wahl-)Berliner in Brandenburg eben gerne tun: Natur erleben, Gürkchen einkochen, die Kinder einfach mal laufen lassen, offline sein, aber auch Musikfestivals, Yoga-Retreats, Kunstprojekte, Kulturveranstaltungen.

Brauerei „Zum ehemaligen Klo“?

Nun gibt es freilich aber auch so ein paar andere Theorien über das Glück, und eine besagt: Nur wer ein Bier zur Hand hat, der ist ein glücklicher Mensch. Und das sahen sie auf dem Campingplatz am See irgendwie auch so. Es wird dort immer und gern und viel Bier getrunken, erzählt Steffen. Und irgendwann fingen er und zwei Freunde eben an, dieses Bier einfach selber zu brauen. In der größten Toilette des Campingplatzes am See. Der ehemaligen Toilette.

Brauhaus Neulich

Das Sudhaus im Brauhaus Neulich, aus der Toilette mittlerweile nach Neukölln umgesiedelt. (Foto: NAK)

Genau dort schlug die Geburtsstunde des Brauhaus Neulich. Neulich, weil dieser See, an dem Steffen Brückners Grundstück ist, Neuendorfer See heißt. Und neulich, weil es ja ein neues Bier ist. Neues sei nun mal neulich, so wie Abenteuer eben abenteuerlich und Liebe lieblich ist. So steht es auf dem Rückenetikett des Brauhaus Neulich Summer Ale, das es nun seit ein paar Wochen in Berliner Bierläden, in ein paar Spätis, Neuköllner Edekas, aber auch in richtig guten Clubs wie dem Sisyphos in Berlin-Rummelsburg oder dem Kater Blau gibt. Und natürlich im Brauhaus Neulich selbst, hier am Rande des Schillerkiez in Berlin-Neukölln.

Brauhaus Neulich

An einem Morgen in Neukölln… man maischt. (Foto: NAK)

Brauhaus Neulich: (K)eine neue Craft Beer Bar für Neukölln

Da riecht es an diesem Spätherbstmorgen ein bisschen nach Maische und ein bisschen nach Farbe und ein ganz kleines bisschen auch nach kaltem Rauch. „Hatten gestern eine Feier hier“, entschuldigt sich Steffen Brückner, als er mit der Handkante einen Tisch im holzverkleideten Gastraum abwischt. Nun, eigentlich haben sie ja fast jeden Abend hier Feiern, diverse – das Brauhaus Neulich ist ein dreiviertel Jahr nach Eröffnung bereits eigentlich immer ganz erstaunlich voll. „Ach, wir sind eben fünf Gründer und haben zusammen einen ziemlich großen Freundeskreis“, sagt Steffen fröhlich. Aber trotzdem: So als Bar im Wohngebiet, als Craft Beer Location…? Wobei… halt! Das steht hier eigentlich nirgends. Craft Beer. Und so fühlt es sich auch nicht wirklich an: Keine zehn und mehr Zapfhähne, keine riesige Tafel mit schwindelerregender Biersortenauswahl. Es gibt hier Neulich Bier. Vor allem anderen das Brauhaus Neulich Summer Ale, das erste und bisher einzige, das es in der Flasche gibt und das sie „in groß“ bei der Hartmannsdorfer Brauerei nahe Chemnitz brauen. Ein dezent gehopftes, gut ausbalanciertes und sehr trinkbares Pale Ale.

Brauhaus Neulich

Drei von fünf Gründern: Steffen Brückner, Lina Thiele und Julius Hausl. (Foto: NAK)

„Ist kein Pale Ale“, protestiert Steffen. „Also, ist es technisch gesehen natürlich schon, es ist ein Ale und es ist pale – aber ich wehre mich voll gegen die Bezeichnung Pale Ale. Denn was da sonst kommt, sind stark gehopfte Biere mit einer krassen Hopfennote – und genau das ist das Summer Ale nicht. Hat auch nur 25 IBU.“ Und das alles ganz, ganz bewusst: „Unsere Biere sollen eine hohe Drinkability haben. Ich trinke nämlich selbst gerne Bier und ich trinke auch gerne drei davon.“ Heißt also keine Imperial Stouts oder Double IPAs. „Ein Double IPA ist für den gemütlichen Sofaabend und nichts für die Kneipe.“ Mit dieser seiner Bierphilosophie (und zwei Mitgründern, die eben auch das Sisyphos als international gefeierten Elektro-Club betreiben, bei dem die Menschen wochenends über Stunden anstehen und vor Sonntag Nachmittag nicht nach Hause gehen und über den unlängst eine Zeitung schrieb, er sei wie das Berghain nur wilder noch, und einem großen, in der Kultur- und Partyszene bestens vernetztem Freundeskreis) erklärt Steffen, warum das Neulich Bier das erste non-mainstream Bier ist, das so wie es aussieht nach und nach die Berliner Clubszene entern könnte: „Das Bier kommt dort gut an, wo man einfach auch mal ein paar mehr Bier trinkt.“

Zwischen Großkonzern-Bashing und Craft-Beer-Hype

Und schon steht man freilich vor der Frage: Craft oder nicht craft – oder eigentlich auch völlig egal? „Man kennt ja das Großkonzern-Bashing auf der einen und man kennt den Craft Beer Hype auf der anderen Seite. Ich würde sagen, dass wir tatsächlich da irgendwo in der Mitte stehen.“

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Das Brauhaus Neulich Summer Ale ist übrigens auch im Winter verfügbar. Schemckt halt ein bisschen wie der Sommer, erklärt Brauer Steffen Brückner. (Foto: NAK)

Wobei die Geschichte von ihm als Selfmade-Brauer eigentlich schon wie eine typische craft-Geschichte klingt: Nach seinem Diplom-Chemie-Studium geht er zu SAP, verkauft sieben Jahre lang Software, fliegt dafür um die ganze Welt, schmeißt diesen Job irgendwann genervt davon hin, dass er seine Familie öfter via Skype als in echt sieht. Steht vor der Frage: Was nun? Fängt an mit Heimbrauen, findet’s super, testet das unter Freunden auf dem See-Campingplatz, kriegt bestes Feedback – und macht ernst.

Lieber Braugasthof als Brauerei – ganz klar

Im November 2016 beginnt die Suche nach einer geeigneten Location für ein neues Brauhaus. „Für uns war klar, dass wir keine Brauerei, sondern eine Gasthausbrauerei machen wollen. Das ist im Grunde eine einfache Rechnung, die Margen sind höher und das Anfangsinvest deutlich niedriger.“ Und außerdem: „Eine Brauerei zu betreiben ist ja eine ganz andere Komplexitätsstufe als einen Braugasthof. Ich würde mir das als Seiteneinsteiger nie zutrauen, der für tausende Liter Bier verantwortliche Brauer zu sein.“

Brauhaus Neulich

Steffen Brückner: Chemiker, Software-Mann, Brauer. (Foto: NAK)

Um aus der runtergerockten Eckkneipe in Neukölln eine schmucke Bar zu machen, packen Steffen und Michael Lipp, die beiden, die das Brauhaus Neulich in Vollzeit betreiben, Steffen als Brauer und Michael als Wirt, und viele Freundeshände einfach selbst an. Sie malern und räumen und hämmern und nächsten Sommer reißen sie vielleicht noch ein Fenster ein, um leichter von draußen nach drinnen und umgekehrt zu gelangen. Sie holen die 300-Liter-Brauanlage aus den Waschräumen am Neuendorfer See nach Berlin, stocken mit ein paar Gär- und Lagertanks im Keller auf und verlegen eine Leitung in der die Würze aus dem Sudhaus in den Gärkeller fließt durch den Gastraum. „Das fand ich total wichtig, damit die Gäste wirklich sehen, dass hier auch gebraut wird“, sagt Steffen.

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Das Brauhaus Neulich haben die Gründer mit viel Liebe zum Detail selbst hergerichtet. (Foto: NAK)

Vor allem die eher experimentellen Sachen werden hier gebraut, neulich eine wilde Chilli-Porter-Collab-Kreation mit den Pirates, ein andermal drei unterschiedliche Varianten Witbier. Denn natürlich, craft hin oder her, an so etwas hat der brauende Chemiker natürlich seine helle Freude.

Und so steht er also manchmal da in seinem kleinen Sudhaus in Neukölln, weit weg vom See, aber so zwischen Malzsäcken und Hopfendämpfen doch wieder ziemlich nah am Glück.

So viele Buchstaben, so wenig Zeit? Dann hört doch einfach unser Interview mit dem Brauhaus Neulich in unserem Podcast „Hopfenhelden trifft“!