Braukraft

BRAUKRAFT: Der Brautopilot

Nina Anika KlotzIm Portrait

Mathias Lottes suchte einst am Biertisch die Erfüllung. Nicht wörtlich. Mehr so im Sinn-des-Lebens-Sinne. Er fand sie – wie könnte es anders sein – im Bier. 2013 gründete er mit Braukraft eine Craft Beer Marke, noch in diesem Jahr nimmt er das eigene Sudhaus in Betrieb.

 

Nur Fliegen ist schöner?
Hm, geht so.
Eigentlich… ganz ehrlich? Och nö.
Nur Bier ist schöner.
So muss das heißen.
Zumindest in der Geschichte von Mathias Lottes, einem Hobby-goes-professional-Craft-Beer-Brauer aus Bayern. Und die geht so:

„Irgendwann dachte ich, es muss doch auch noch etwas anderes geben im Leben“, sagt Mathias Lottes. „Etwas anderes als Fliegen.“ Und damit meint er: Etwas anderes als den Job. Mathias Lottes ist nämlich Pilot, Flugkapitän bei der Lufthansa. Für viele ein Traumjob. Für ihn auch. Aber ist eben so wie mit allem: Irgendwann wird auch Kuchen zum Frühstück langweilig, dann sucht man nach etwas neuem, nach mehr im Leben.

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Für den Anfang braute Lottes 150 Liter pro Sud im eigenen Keller. (Foto: StP)

 

Und der saß also vor ein paar Jahren er mit zwei Freunden am Biertisch und grübelte über den Sinn des Lebens und wie man nur das Beste daraus machen könnte. Dabei kamen sie auf eine Idee, die einem nur  am Biertisch kommen kann: Bier! Bier ist der Sinn des Lebens! Oder nein: Was mit Bier, das wäre doch eine tolle, erdende Ergänzung zu einem Leben milehigh und dem ständigen hin- und her Gejette zwischen London, New York, Tokio und Rio.

Die ersten zehn Heimbrauversuche gehen in die Hose. „Das gehört glaube ich auch so“, sagt Lottes. Er ist da auch ganz ehrlich und lacht fröhlich über den Esstisch in seinem Haus am Münchner Stadtrand. Das sieht von innen schon sehr nach dem Zuhause eines Brauers aus. „Bier ist im Kühlschrank“ steht auf der Fußmatte im Eingangsbereich, in der Küche hängen Fotos von einer Brauerei auf Mallorca und das Bier-Trophäen-Regal im Keller ließe wohl manchen Craft-Beer-Geek neidgrün werden. Heady Topper, Pliny the Elder, völlig abgefahrenes Zeug aus Usbekistan oder sonstigen Endzipfeln der Welt – alle leergetrunken. Zu Fortbildungszwecken, versteht sich. Ebenfalls im Keller ist Lottes 150-Liter-Brauanlage. Die ist aktuelle eigentlich täglich in Betrieb, sagt er. Also an den Tagen, an denen er nicht fliegt.

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Wie das eben läuft, aus Home Brewing wird Craft Brewing. (Foto: StP)

 

„Am Anfang kriegt man das mit der Verzuckerung halt noch nicht so hin, vertut sich beim Hopfen, mal wird das Bier sauer, mal sprudelt es nicht. Irgendwas ist halt immer“, erzählt er. Die beiden Freunde verlieren nach den Bruchlandungen schnell den Spaß, nur Kapitän Lottes drückt weiter aufs Gas, kauft Bücher, liest sich durch Homebrewing-Foren, fragt einen befreundeten Brauer löchrig, schafft semi-professionelles Brauequipment an. Und kaum steht das, läuft‘s auch. Das Lottes-Bier fängt an zu schmecken. Richtig gut zu schmecken.

Zuerst sind die Freunde und Nachbarn begeistert. Von seinen 25-Liter-Suden kriegt Lottes nur mit Glück selbst ein Fläschchen ab. Aber gut, die sind vielleicht voreingenommen. Freibier von einem Freund – wer kann da schon sagen, das schmeckt nicht? Nach ein paar Jährchen Hobbybrauerei meldet Lottes sich beim Doemens-Biersommelierkurs an und bekommt ähnliches Feedback. Und noch dazu, stellt der Pilot fest, sind Biermenschen alle so verdammt nett:  „Da hat eine Offenheit geherrscht, das hat mich umgehauen. Wie Brauer untereinander ihr Wissen weitergeben! Die haben mir so viel geholfen. Der Fredi, der Eigner von Schönramer, zum Beispiel, der war im Kurs und hat gesagt: ‚Du, dein Bier schmeckt super, mach unbedingt weiter. Und sag Bescheid, wenn ich dir helfen kann.‘ Und das macht der auch, bis heute.“

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Braukraft-Biere kommen rum. Nicht nur, wenn Mathias Lottes sie selbst im Cockpit mitnimmt (Nein, Quatsch, das darf er nicht, Cockpit sei eine absolute No-Booze-Zone, sagt er), auch Kollegen packen für ihn immer mal wieder eine Flasche für ein Weite-Welt-Foto ein. „Allerdings bin ich die dann immer los“, sagt er. (Fotos: Braukraft)

 

Mathias Lottes spürt also Rückenwind und fängt an, sich neben seinem Hauptjob Gedanken zu machen, wie er das Bierbrauen professionalisieren kann. Das klappt ziemlich gut. Naja, bis auf den allerersten Schritt: „Als ich da drüben beim Gewerbeamt mein Gewerbe angemeldet habe, haben die sich totgelacht.“ Sei’s drum, fasten your seatbelts, Lottes startet trotzdem durch. Statt die Abende an den Hotelbars in Bilbao und Ankara abzuhängen und Biervielfalt praktisch zu erleben (oder was auch immer Piloten an ihren freien Abenden anderswo eben so tun), sitzt er brav auf dem Zimmer und plant ganz theoretisch seine Craft Beer Brewery. Name steht schnell, Braukraft, die ersten Biere (ein malzbetontes IPA – „die hopfigen, hochvergoren bekommt man zurzeit ja überall, dieses sollte anders sein“, sagt er, ein Weißbier („Wai-Zen“), ein Oatmeal-Chocolate-Stout („Choco-Lata“)) ebenfalls. Und das Fernziel ist auch klar: eigene Brauerei.

„Der Vorteil an meinem Job ist ja, dass ich nie Arbeit mit nach Hause nehme“, sagt der Pilot. Wegen eines superwichtiges Projektes mal ein Wochenende durcharbeiten müssen – ist halt nicht. Entweder er ist nicht da sondern irgendwo in der Welt, so wie an 16 bis 18 Tagen im Monat – oder er hat frei. Und Zeit zum Brauen.

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Sieben verschiedene Sorten Bier hat Lottes mittlerweile im Braukraft-Sortiment (Foto: StP)

 

Letztes Jahr hat Lottes einen Copiloten mit an Bord genommen, Florian Ceppa, ein junger Braumeister mit einigen Jahren Erfahrung in einer Gasthausbrauerei. Der wird dann auch in der Brauerei sein, wenn der Chef unterwegs ist. Derzeit fliegt Lottes Kurz- und Mittelstrecken, demnächst auch wieder Langstrecken. Während er dann von Shanghai aus Rohstoffbestellungen und Vertriebsanfragen managt,  wird Ceppa in einer umgebauten Brennerei in Gilching-Geisenbrunn, wo noch bis vor Kurzem Kartoffeln zu Industriealkohol verarbeitet wurden, Craft Beer brauen.

Gerade wird hier alles für die Ankunft einer 10-Hektoliter-Anlage vorbereitet. Im Sommer, so hofft Lottes, ist die dann ready for take off. Schon mal schnell die Tische hochklappen.

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Was es noch anderes geben sollte im Leben: Bier. (Foto: StP)