Craft Beer Bierglas Spiegelau Christian Kraus

SPIEGELAU: „Alles angesoffenes Wissen.“

Claudia Doyle

Christian Kraus ist Vertriebschef der Glasfirma Spiegelau. Seit ein paar Jahren tourt er nicht nur mit Weingläsern, sondern auch mit Pilsstangen und Biertulpen durch die Gegend. Aber ist Glas nicht gleich Glas?

Biergläser

Jedem Bierchen sein Pläsierchen: Biergläser in allerlei Formen. (Foto: StP)

Für Pils, Helles und Weizen hatte der Kristallglashersteller aus dem Bayerischen Wald schon längst jeweils spezielle Gläser im Angebot. Seit Februar 2013 gibt es zudem aber auch noch ein Craft Beer Bierglas für  IPAs, ein Jahr später folgte das Stout-Glas, gerade wurde das neue American Wheat Beer-Glas vorgestellt. Braucht man die wirklich alle? Unsere Autorin Claudia Steinert ist skeptisch und wagt deshalb  einen Selbstversuch auf der BrauBeviale in Nürnberg.

Herr Kraus, Spiegelau hat inzwischen sechs verschiedene Biergläser im Angebot. Ist der gemeine Biertrinker von dieser Glasauswahl nicht überfordert?

Natürlich ist er das. Aber der gemeine Biertrinker ist ja auch von der Auswahl an Craft Beer überfordert. Der erste Schritt für den Konsumenten ist deshalb immer, herauszufinden, welche Biere er mag. Und erst wenn das klar ist, dann kann er sich auch mit den Gläsern beschäftigen.

Fangen wir also mit dem Bierglasselbstversuch an. Wir verkosten Bier. In unterschiedlichen Gläsern. Es gibt ein IPA in drei verschiedenen Gläsern. Ich bin skeptisch, weil für mich das IPA- und das Stout-Glas doch sehr ähnlich aussehen. Bis auf diese ominösen Riffel im unteren Bereich. Im Weizenglas wirkt das IPA ziemlich fad, der Geschmack verpufft in der riesigen Tulpe. Im Stout-Glas kommt es besser zur Geltung aber – zu meiner großen Überraschung – schmeckt es aus dem IPA-Glas nach mehr Frucht. Hm, vermutlich ein Zufallstreffer.

Warum schmeckt ein IPA aus dem IPA-Glas besser?

Die Glasform steuert, welche Aromen zuerst wahrgenommen werden. Beim IPA im Idealfall zuerst die blumigen, erst im zweiten Schritt die bitteren. Wer zum ersten Mal ein IPA trinkt und das aus einem normalen Bierglas, der wird vielleicht von der Bitterkeit erschlagen und ist für immer für diesen Bierstil verloren. In den USA wird IPA traditionell in konischen Gläsern serviert aber … das ist eigentlich ein Verbrechen.

Wer darf alles bei der Entwicklung der Biergläser mitreden?

Wir entwickeln unsere Gläser gemeinsam mit Brauereien, die natürlich in den ganzen Prozess eingebunden werden. Bei jeder Verkostungsrunde sitzt da der Braumeister, ein paar Verkäufer, meistens auch noch Leute aus dem Marketing. Und natürlich Experten von Spiegelau. Wir haben die Erfahrung aus der Weinglasentwicklung. Das ist, ich sag mal, angesoffenes Wissen!

Gutes Stichwort: Es wird also weiter getrunken: Das Stout im Stout-Glas riecht, als hätte jemand einen Schokoladenriegel darin aufgelöst. Im Weizen-Glas ist es milder, aber nicht schlecht, im IPA-Glas irgendwie unangenehm intensiv, ohne Schokoriegel-Aroma. Okay, das Stout-Glas gewinnt.

Wie viele Verkostungsrunden gibt es bis zum fertigen Glas und was passiert da genau?

Drei. In der ersten Runde trinken wir nur ein einziges Bier, das aber aus ganz unterschiedlichen Gläsern. Da ist von der Sektflöte bis zum Becher alles dabei. Wir wollen kein Glas von vornherein ausschließen. Es könnte ja sein, dass das Bier gerade in der Sektflöte zur vollen Entfaltung kommt. Von diesen rund 150 Grundformen wählen wir einige wenige aus, so vier bis fünf. Daraus entwickeln unsere Glasdesigner dann Prototypen, frei nach dem Bauhaus-Prinzip „Form folgt der Funktion“. Dabei ist wichtig, dass die Gläser eine verkaufsübliche Menge Bier fassen, also 0,25 oder 0,33 oder 0,5 Liter. In der zweiten Runde werden diese Prototypen getestet und nur der Gewinner darf dann in Runde drei. Jetzt geht es wirklich nur noch um winzige Unterschiede, meist am Mundranddurchmesser [ da, wo man die Lippen ansetzt, Anm. d. Red.], das ist Millimeterarbeit. Trotzdem kommen wir immer einstimmig zum gleichen Ergebnis, das gleiche Glas siegt. Das zeigt, dass jeder Millimeter zählt!

Noch ein Bier, noch ein Glas: Das American Wheat Beer riecht wie ein Bananenweizen, zumindest, wenn man es im richtigen Glas verkostet. Im IPA-Glas schmeckt man vor allem: viel zu viel Kohlensäure. So viel zu viel, dass sich im Mund eine Menge Schaum sammelt, den man kaum herunterschlucken kann. Dafür sind, werde ich belehrt, diese ominösen Riffel da, sie mischen das Bier bei jedem Schluck durch und machen es dadurch spritziger. Beziehungsweise: zu spritzig. Okay, okay, überzeugt.

Und wenn ich jetzt als Verbraucher nicht so viele verschiedene Gläser kaufen will, welches ist dann das Universalglas?

Ein Universalglas, das jedem Bier gerecht wird, gibt es nicht. Es gibt ein Kompromissglas, die Biertulpe. Die tut keinem Bier weh, aber sie bringt das Besondere nicht zur Geltung. Sie schneidet die Vorzüge ab. Das perfekte Glas aber muss das Bier ausbalancieren.

Ich gebe zu, ich habe nur Kompromissgläser zu Hause.

Craft Beer Bierglas Spiegelau Christian Kraus

Christian Kraus, Vertriebschef der Glasfirma Spiegelau, links und rechts je ein spezielles American Wheat Beer. Bierglas (Foto: C.Steinert)