In China rengnet’s. Aber so richtig. Ist Taifun-Saison. David Krings dreht deshalb mal lieber schnell das Handy von draußen, wo’s nass und grau nach China aussieht, nach drinnen, wo’s cool und schick nach Stockholm aussieht. Dann führt er per Video-Skype durch die Amoy Bräu Brauerei, die erste und einzige Craft Beer Brauerei in Xiamen (sprich: Schamen), einer beschaulichen 3,5-Mio-Stadt auf einer Insel gegenüber von Taiwan.
David Krings und Felix Krämer haben hier in einer ehemaligen Fischfabrik Anfang 2015 Amoy Bräu eröffnet. Die alten Maschinen stehen noch rum. „Nicht sicher, was die damals damit gemacht haben“, sagt David, während er an dem Gedöns vorbei geht. Die ganze alte Fischhafengegend verändert sich gerade, erzählt er, es entstehe eine Art Kulturareal. Und die Brauerei mit ihrem urschönen Industry-Style-Taproom und der Lichtkunst „We love Beer – so we make our own“ über dem Eingang passt da genauso gut rein, wie David und Felix. Kennengelernt haben die beiden sich nämlich als sie in Holland Produktdesign studiert haben. Sind Menschen mit Augen fürs Schöne. Ohne Braudiplom oder Meistertitel. „Eigentlich sind wir mit einen Lehrauftrag als Graphik-Designer hierher gekommen, geplant waren drei Monate“, erzählt David. Daraus sind dann Jahre geworden. Er selbst hat erst eine Weile als Architekt gearbeitete, Felix als Markendesigner. Dann wurden sie Craft Brewer.
Eine Craft Brewery in China also. China – of all places! Ist es denn nicht kompliziert genug, eine Brauerei zu starten? Ich könnte mir vorstellen, dass es in China um Faktor zehn schwerer ist.
Ganz ehrlich? Nein! Ich konnte mir das sogar nur hier vorstellen. Oder anders gesagt: Ich wäre nie darauf gekommen, in Deutschland eine Brauerei aufzumachen, so als nicht gelernter Brauer. Aber hier ist das was anderes: Alle machen hier einfach. Jeder versucht sein eigenes, kleines Business zu starten, die Leute – ja, machen halt einfach. Und diese Motivation ist ansteckend.
Aber man stellt sich das sehr kompliziert vor mit all den bürokratischen Hürden und so.
Naja, man muss eben eine Lizenz beantragen, wenn man brauen will. Die haben wir erst zehn Monate nach unserer Eröffnung bekommen.
Siehst du, das meine ich: Das klingt nach einem großen Problem.
Ist es aber nicht, das machen alle so in China. Du fängst halt einfach an. Lizenz hin oder her. Und wenn du danach gefragt wirst, dann sagst du, die kommt noch. Wir waren beide total unerfahren, hatten keine Ahnung, wie man eine Brauerei baut und vielleicht war genau das unser Vorteil. So hatten wir weniger Angst, weil wir uns gar nicht überlegen konnten, was alles schief gehen könnte. Wir wussten es ja schlicht nicht. Insofern haben wir uns vielleicht einfach mittlerweile schon sehr gut an China angepasst: Hier passiert vieles und nichts ist geplant.
Man stellt sich das ja irgendwie von Deutschland aus ganz anders vor.
Weiß ich. Aber ich kann von uns ganz ehrlich erzählen: Für uns ist Xiamen der richtige Ort zur richtigen Zeit. Das Lebensgefühl hier kennen ich so aus den Niederlanden: Wir sind kreativ und frei.
In China.
Ja. Als Ausländer, natürlich. Aber ich kann ja auch nur für mich sprechen und muss sagen, ich habe mich noch nie so frei gefühlt. Hier bewegt sich etwas.
Und warum Bier? Ihr, als Designer…
Irgendwie, weil wir Deutsche sind. Man hat von uns immer irgendwie erwartet, dass wir als Deutsche uns doch mit Bier auskennen müssen. Das größte für chinesische Biertrinker ist 德国黑啤 (de guo hei pi), deutsches Schwarzbier. Davon hatte ich als Niederrheiner überhaupt keine Ahnung, das dunkelste Bier, das ich bis dato getrunken hatte war ein Alt. Aber so hatten die Leute halt diese Erwartung, dass wir als Deutsche Bier können. Und dann haben wir es einfach einmal ausprobiert und vor zweieinhalb Jahren unser erstes Bier gebraut. Von Craft Beer wussten wie damals nichts, überhaupt nie gehört.
Privat, zuhause?
Ja, aber wir haben uns dann ziemlich schnell von da weg bewegt und Bier brauen als Business gedacht. Im Oktober 2013 haben wir unsere erste, kleine Brauerei eröffnet, dann den Taproom und Anfang 2015 dann unser 500-Liter-Sudhaus, mit sechs Gärtanks à 500 Liter. Wenn wir es darauf anlegen können wir hier jetzt 6000 Liter im Monat machen. Aktuell verkaufen wir etwa 4000 Liter pro Monat. Auf Grund der chinesischen Gesetze dürfen wir ja weder in Dosen noch in Flaschen abfüllen sondern unser Bier lediglich in unserer Bar verkaufen.
Und das, während ihr „im richtigen Leben“ weiter als Designer gearbeitet habt?
Nein, wir haben das beide ziemlich schnell hauptberuflich gemacht. Die Brauerei trägt sich auch schon lange selbst.
Wegen der vielen Expats, die verrückt sind nach craft beer?
Überhaupt nicht. Unsere Kundschaft sind zu 80 Prozent Chinesen. Wir sind hier auch in keiner besonderen Expat-Gegend. Das ist ein tolles Areal nahe am Wasser, aber eben schon auch eine ziemliche „local area“. Auch als wir hier gebaut haben standen jeden Tag etliche Locals um uns herum, haben sich über die Bau-Schmutz-dreckigen Ausländer gefreut, aber auch hilfreiche Tipps gehabt, was wir wie bauen könnten.
Was braut ihr für Bier? Deutsches Schwarzbier?
Haben wir auch mal gemacht, aber eigentlich versuchen wir Bier für Xiamen zu machen. Regelmäßig machen wir zum Beispiel ein belgisches Witbier mit Yang Mei (Myrica Rubra), das sind Früchte hier aus der Gegend. Das Bier ist stark, sauer, süß, das schmeckt wie Xiamen. Aber wir machen auch IPAs und solche Sachen.
Und nun sucht Ihr Unterstützung für Euer Bier.
Genau. Wir sind beide ja keine gelernten Brauer. Durch viel Trial and Error, Bücher und Internetrecherchen haben wir unser Bier auf ein gewisses Level gebracht. Manche Biere sind wirklich gut, andere haben gewisse Kinderkrankheiten, die ich ohne Ausbildung nicht so recht in den Griff bekomme. Und deshalb hätten wir da gern Hilfe. Wir suchen einen Brauer, egal, ob mit Lehre, Diplom oder auch ohne alles, Hauptsache Leidenschaft, Kreativität und viel Erfahrung, der mit uns unsere Biere verbessert und neue Sachen ausprobiert. Wir haben uns dafür eine Art „Artist in Residence“-Programm ausgedacht: Wir übernehmen die Kosten für Flug und Unterkunft, der Brauer stellt uns sein Know-How zur Verfügung. Ob das nun sechs Wochen, drei Monate oder ein halbes Jahr ist, ist eigentlich egal, alles ist möglich. Wir suchen jemanden, der jung ist, kreativ und abenteuerlustig, der Lust hat China kennenzulernen und mit uns auf unserer Brauanlage zu experimentieren.
Der Berliner Filmemacher und Kameramann Christoph Lemmen hat Amoy Bräu in Xiamen kennengelernt. Das hier ist eine hoch sehenswerte Preview, ein Dokumentarfilm über Felix Krämer, David Krings und ihr verrücktes Craft-Beer-Brauerleben in Südchina ist in Planung.