Am Sabbat bleibt das Sudhaus kalt. Aber an allen anderen Tagen der Woche braut David Cohen, Gründer von Dancing Camel in Tel Aviv, koschere Biere für Israel und ist damit der Craft Beer Pionier des Nahen Ostens
Wenn Deutschland irgendwann einmal den hinterletzten Superstar gefunden hat und es auch sonst nichts mehr zu casten gibt, weder Models noch Tänzer noch Schwiegertöchter, wenn dem Bachelor endlich die Rosen ausgegangen sind und auch der kritischste Kochsendungsjuror seinen Löffel abgibt, dann sollten Deutschlands Fernsehprogrammmacher unbedingt diese Show wiederbeleben, in der man die Berufe von Menschen raten muss, „Was bin ich?“. Und dann sollte David Cohen da mal antreten – er würde der „Was bin ich?“-Next-Mega-Superstar. Weil: Da kommt keiner drauf. Echt nicht.
David Cohen ist ein stattlicher Typ, mittelalt, Kippe im Mund, Bandana auf dem Kopf und er spricht New Yorkisch. Was könnte der wohl sein? Chef der Roadies von den Red Hot Chili Peppers vielleicht? MMA-Trainer? Oder doch Bio-Metzger?
Von einem, der auszog, sich alle Träume zu erfüllen
Alles falsch. David Cohen ist der Inhaber von zwei koscheren Bars in Tel Aviv und Israels Craft Beer Pionier. Ein gläubiger Jude aus New York, der, wie er selbst sagt, die beste Zeit seines Lebens als Zwanzigjähriger in einem Kibbuz erlebt hat und deshalb mit Ende Dreißig beschloss, den USA den Rücken zu kehren und ins Gelobte Land auszuwandern. Für immer. Mit Sack und Pack und seiner Frau – und einem recht gewagten Plan: Die erste Craft Beer Brauerei Israels zu eröffnen.
Wenn schon neu, dann ganz, habe er sich gesagt. „Ich war mit dem Umzug ja schon dabei, mir meine Träume zu erfüllen, warum sollte ich da mit meinem Beruf nicht gleich weiter machen?“ sagt er und klingt dabei recht routiniert, denn natürlich hat er diese Geschichte schon etliche Male erzählt. Cohen ist so etwas wie der Mikkeller des Nahen Ostens, der Star der Craft Beer Szene seines Landes. „Ich habe das als eine Chance der kompletten Renaissance gesehen, Neustart auf allen Ebenen.“ In New York hatte er als Buchhalter gearbeitet. Solche braucht man in Israel sicher auch, und es wäre bestimmt der leichtere Weg gewesen, hatte er aber keine Lust zu.
„Ich habe den Aufstieg von Craft Beer an der US-Ostküste komplett miterlebt“, erzählt Cohen. „Von der Seitenlinie, quasi. Als Konsument und Hobbybrauer. Mittelambitionierter Hobbybrauer, würde ich sagen.“ Möglicherweise würde seine Frau etwas anderes sagen: Seit David Cohen Ende der Achtziger Biere wie Samuel Adams, Sierra Nevada und Pete’s Wicked Ale neben den ollen Buds und Millers in den Regalen seines Brooklyner Liquor Stores auftauchen sah und von deren Geschmack schwer beeindruckt war, hatte er sich nach und nach einen ordentlichen Bierhobbyraum in ihrer kleinen Wohnung eingerichtet. Was „mittelambitionierte“ Homebrewer eben so brauchen: Mehrere Tanks, Tonnen, Gärballons und – wichtig und wunderschön – einem eigenen Kühlschrank nur für Bier.
Der Ex-Buchhalter rechnete sich seinen Neustart in Israel eigentlich ganz einfach aus: So wie die Begeisterung für Craft Beer ihn, seine Freunde und die ganzen USA gepackt hat, so müsste das in Israel doch auch funktionieren. Man müsste den neuen Landsleuten doch eigentlich nur zeigen, was sie bisher verpasst haben, und dann müsste das Middle-Eastern-Craft-Beer-Business doch boomen. Tat es aber nicht. Zumindest erst.
„Die Leute haben es anfangs einfach gar nicht verstanden, das Prinzip Craft Beer. Ich wurde ständig gefragt: Wo kommt dieser komische Geschmack in deinem Bier her und warum verlangst du so viel Geld dafür?“ Wegen einer sehr hohen Alkoholsteuer ist Bier Israel ohnehin schon teuer, auch ganz simples, dünn-plörriges Lager (der Topseller, wie überall auf der Welt). Dazu kommt, dass viele Israelis eher Wein trinken und Bier keine so große Sache ist. Schließlich hat das Land ja ziemlich famose Weine zu bieten.
Das alles merkte Cohen aber erst, als er 2006 sein Lebenstraum-Erfüllungsunternehmen bereits gestartet hatte. In einem ehemaligen Kornspeicher im Herzen Tel Avivs hatte er sich seine eigene Brauerei zusammengezimmert. Dafür hatte er eine ausrangierte Brauanlage aus den USA in zwei Containern rüber schiffen lassen. Er hat seine ersten Biere gebraut, ein American Pale Ale und ein Witbier, und er hatte sich einen hübschen Namen nebst Slogan für seine Craft Beer Brauerei ausgedacht: „Dancing Camel – funny camel, serious beer.“ Dahinter steckt eine Fabel, erzählt er, in der ein Rabbi von einer Bande Räuber überfallen wird. Er fängt an, Gebete zu singen, so schön, dass die Kamele der Räuber anfangen zu tanzen und ihre Reiter ihm deshalb nichts tun können. Und dann passierte erst einmal gar nichts. Sein Geschäft dümpelte trübe vor sich hin.
Und plötzlich lief’s
Weil das Glück aber bekanntlich mit den Tüchtigen ist, passierte dann, drei, vier Jahre später plötzlich doch was: Die Craft Beer Revolution kam in Israel an. Ungefähr 2010 war das, erinnert sich Cohen. Da ging das von heute auf morgen und Schlag auf Schlag. Warum? Kann er gar nicht so genau sagen. Mag sein, dass es die Einwanderer aus den Staaten waren oder die kosmopoliten, jungen Israelis, die die Idee Craft Beer von ihren Reisen mitgebracht haben. Eigentlich ja auch egal. Wichtig ist, dass Cohens Geschäft mit dem besserem Bier plötzlich prima lief. Sein Brew Pub war jeden Abend voll – außer am Sabbat, da ist geschlossen, was ungewöhnlich ist für das feierfreudige Tel Aviv.
David Cohens Biere sind auch alle koscher. Was nicht weiter schwer ist, wie er mit einem Grinsen sagt: „Jedes nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraute Bier ist automatisch auch koscher. Aber nicht jedes koschere Bier muss nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut sein.“ Besonders gefeiert bei seinem Besuch auf dem Craft Beer Fest der GACBB wurde das „Leche del Diablo“, ein Witbier mit Chili. „Das einzige, was mir jetzt einfallen würde, wäre ein Oyster Stout: Das kann natürlich nicht koscher sein“, sagt Cohen. Ansonsten bekommt man eigentlich jedes gute Bier beim Rabbi durch. Dafür gibt es andere religiöse Gesetze, die ihn als gläubigen Brauer betreffen: So muss nach einer jüdischen Ackerbauregel der Boden alle sieben Jahre brach liegen. Das heißt alle sieben Jahre kann David Cohen nicht den israelischen Dattelhonig für sein IPA verwenden, den er so gerne dafür nimmt. „Dann muss ich auf türkischen ausweichen. “
Natürlich ist Cohen mit seiner guten Idee, bessere Biere für den Nahen Osten zu brauen, nicht alleine geblieben. Mittlerweile könne man schon von einer recht lebendigen Craft Beer Szene in Israel reden, sagt Cohen. Deutschland sei man bestimmt zwei Jahre voraus. Aber er kann uns da helfen: Gut möglich, dass es Dancing Camel Bier bald auch hierzulande da und dort mal zu kaufen gibt. Das sei ein spannender Markt, so Cohen, und er habe Spaß daran, den Beginn der Craft Beer Revolution ein drittes mal mitzuerleben.