Grünhopfenbier

GLUTENFREIES BIER: Was ist das eigentlich?

Thomas Redders

„Gibt’s das auch glutenfrei?“ Eine Frage, beendet durch dieses hippe Modewort (sprich: gluteeeeeeeen), die es schafft, jeder noch so freundlichen Servicekraft das Lachen aus dem Gesicht zu zaubern. Und das, obwohl kaum jemand so richtig weiß, was Gluten überhaupt ist – geschweige denn glutenfreies Bier.

Immer mehr Restaurants und Lebensmittelhersteller bieten glutenfreie Produkte an. Auch in der Bierindustrie taucht mit der Zeit immer öfter der Begriff „glutenfreies Bier“ auf. Aber was ist Gluten überhaupt? Wer braucht glutenfreies Bier? Und wie braut man überhaupt so ein glutenfreies Bier?

Bier Abfüllung

Mit? Ohne? Mitohne?  (Foto: NAK)

Wir wollen euch eine Antwort auf all diese Fragen geben und haben uns dazu etwas ausführlicher mit diesem immernoch vor allem durch besonders ernährungsbewusste Mitdreißiger geprägten Inhaltsstoff beschäftigt.

Was ist Gluten?

Gluten ist ein Gemisch aus Proteinen und kommt in den Samen einiger Getreidearten, sowie sehr selten auf der Oberfläche von Hefen vor. Die wichtigsten Proteine sind dabei Glutenin und Gliadin. In Verbindung mit Wasser entsteht eine klebrige Masse, die man beim Brotbacken besonders gut beobachten kann – daher auch die umgangsprachliche Bezeichnung: Klebereiweiß. Gluten ist unter anderem in folgeneden Getreidearten vorhanden:

  • Gerste
  • Weizen
  • Dinkel
  • Roggen
  • Emmer
  • Hafer

Was ist Glutenunverträglichkeit?

Eine Glutenunverträglichkeit in ihrer schwersten Form führt zu einer Krankheit, die als Zöliakie (Sprue) bezeichnet wird. Zöliakie ist eine chronische Erkrankung des Dünndarms, bei der die Dünndarmschleimhaut angegriffen wird. Diese muss allerdings nicht gezwungenermaßen durch das Gluten hervorgerufen sein. Forscher gehen inzwischen davon aus, dass für die meisten Fälle der Erkrankung das ebenfalls in Getreide enthaltene Protein Adenosin-Triphosphat-Amylase (ATI, Schädlingsabwehrstoff) hauptverantwortlich ist.

Die Schwere der Unverträglichkeit kann dabei stark variieren. In Europa leiden ungefähr 1 bis 2 % aller Menschen unter Zöliakie. Die Zahl derer mit einer weniger ausgeprägten Form der Glutenunverträglichkeit liegt jedoch deutlich darüber (vermutlich aber auch, da häufig ATI-Unverträglichkeit mit Glutenunverträglichkeit gleichgesetzt wird).

Eine Glutenunverträglichkeit führt unter anderem zu Entzündungen und Schwellungen im Darm, zu Müdigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit und Blutarmut. Voraussetzung für eine Erkrankung ist unter anderem eine genetische Veranlagung, die bei rund 35 % aller Menschen weltweit vorliegt. Diese muss aber nicht gezwungenermaßen zu Zöliakie führen.

Hier steckt’s drin, das Gluten. (Foto: NAK)

Wie stellt man glutenfreies Bier her?

Die Herstellung von glutenfreiem Bier ist sehr aufwendig, da die Zutaten bereits in der Lieferkette strikt von glutenhaltigen getrennt werden müssen. Gleiches gilt logischerweise für den Brauprozess. Die Braulanlagen müssen bei den gängigen Verfahren streng getrennt werden. Laut EU Richtlinie darf ein Bier als glutenfrei bezeichnet werden, wenn weniger als 20 Milligram pro Kilogramm (0,002%) Gluten enthalten sind. Absolut glutenfreies Bier erhält man nur, wenn man komplett glutenfreie Zutaten verwendet.

Verwendung glutenfreier Getreidesorten

Die erste Möglichkeit zur Herstellung eines glutenfreien Bieres ist die Verwendung von glutenfreiem Getreide oder Getreideersatz. Dazu zählen beispielsweise:

  • Mais
  • Hirse
  • Reis
  • Buchweizen
  • Quinoa
  • Amarant

Die Methode hat aber den wahrscheinlich größten Nachteil, den es bei der Bierherstellung gibt: Das Bier schmeckt einfach nicht so richtig nach „normalem“, glutenhaltigem Bier. Häufig bilden sich ganz andere Aromen und das Bier schmeckt wässrig. Weiteres Problem ist der Zuckermangel in glutenfreiem Getreide. Als zusätzlicher Zuckerlieferant wird immer wieder Honig oder Sirup eingesetzt.

Glutenfreies Bier technisch hergestellt

Die zweite Methode ist ein technisches Verfahren – ein enzymatischer Abbau des Glutens mit Hilfe von Peptidasen. Vereinfacht erklärt: Die Herstellung läuft zunächst ganz normal ab. Während des Brauvorgangs werden dann Enzyme zugegeben, die das Gluten abbauen. Problematisch: Das Bier kann auch nach Verarbeitung der Enzyme Glutenspuren enthalten.

Qualität von deutschem Craft Beer

Eines der beiden hier ist garantiert glutenfrei. (Foto: StP)

Innovation in der Getreidezucht

Die dritte Möglich zur Herstellung von glutenfreiem Bier ist die Züchtung neuartiger Getreidesorten auf Basis der bekannten Braugetreide. So haben australische Wissenschaftler der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation eine spezielle Gerste gezüchtet, die den vorgeschriebenen Wert in Europa nicht überschreitet: die KEBARI-Gerste. Erste Brauereien, wie beispielsweise die Pionier Brauerei (Nachtrag: die Produktion der Pionier Brauerei wurde Ende 2019 eingestellt), nutzen diese bereits.

Innovation in der Herstellung

Die vierte Möglichkeit ist ein spezielles Herstellungsverfahren, das die Traditionsbrauerei Schleicher entwickelt hat. Dabei werden die selben Zutaten, wie für ein glutenhaltiges Bier verwendet. Anschließend werden keine zusätzlichen Enzyme zum Glutenabbau eingesetzt, sondern das Brauverfahren verändert. Im Klartext: Das Bier wird intensiver gekocht und länger und kälter gelagert. Abschließende Filtration sorgt für die Einhaltung der EU-Richtlinien.

Gibt’s mehr als Pils?

Was die Sorten angeht, muss man sich inzwischen auch mit einer Glutenunverträglichkeit nicht nur auf einen Bierstil beschränken – von alkoholfreiem Bier über ein Tripel bis zum IPA ist für jeden der passende Bierstil dabei. Und wenn der Bioladen oder Supermarkt um die Ecke nicht das entsprechende Bier hat, hilft der Online-Handel weiter. Die Preise unterscheiden sich dabei nicht wesentlich von anderem Craft Beer.

Qualität von deutschem Craft Beer

Auf Gluten! (Foto: StP)

Gluten in nicht glutenfrei deklarierten Bieren

Wie schon gesagt, glutenfreies Bier darf als solches bezeichnet werden, wenn weniger als 20 Milligramm pro Kilogramm Gluten im Bier enthalten sind. Die Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie und das Kompetenzzentrum für Ernährung haben verschiedene Biertypen auf ihren Glutengehalt untersucht und folgendes Ergebnis erhalten (gemittelte Werte in Milligramm pro Kilogramm):

  • Vollbier hell: 27
  • Vollbier dunkel: 46
  • Weißbier: 2740
  • Pilsner Lagerbier: 12
  • Alkoholfreies Bier (Schankbier): 32
  • Malzgetränk: 34

Auffallend ist, dass vor allem das Pils im Durchschnitt als glutenfrei deklariert werden darf.

Jetzt muss man natürlich für sich selbst feststellen, in welchem Maße man auf glutenfreies Bier angewiesen ist. Und natürlich auch, ob das glutenfreie Bier vielleicht sogar das besser schmeckende ist. Aber aus Rücksicht vor denjenigen, die tatsächlich unter Zöliakie leiden, sollte man vielleicht überlegen, ob das Unwohlsein nach dem Bier gar nicht der Glutenunverträglichkeit geschuldet ist, sondern dem billig hergestellten Industriebier.