Vor wenigen Jahren hätte man das Thema Dry-Hopping, das im Deutschen gerne Kalthopfung und manchmal noch Hopfenstopfen genannt wird, schnell zusammenfassen können: Das kommt von den Briten, das machen jetzt hauptsächlich die Amis und nach dem Deutschen Reinheitsgebot… hmm, weiß man nicht so recht… darf man’s, darf man’s nicht?
Aktuell passiert so viel zum Thema Dry-Hopping, dass man gar nicht weiß wo man anfangen soll. Alle Brauereien befassen sich damit, wirklich alle, in allen Ländern. Alle Brau-Universitäten untersuchen die Technik, wirklich alle; und die Ergebnisse, zumindest die, die publiziert oder geteilt werden, sind wirklich spannend. Und wegen des Reinheitsgebots macht man sich keinen großen Kopf mehr. Passt schon. Siehe dazu unten mehr.
Warum heißt Hopfenstopfen eigentlich „Dry-Hopping“?
Doch nochmal kurz zurück zum Anfang. Das Dry-Hopping wird im Deutschen korrekterweise mit Hopfenstopfen übersetzt, dies ist der ursprüngliche Begriff, der den Vorgang beschreibt, wenn man Hopfen in das fertige Bier bei der Lagerung gibt. Wieso dann eigentlich Dry-Hopping? Die meisten schriftlichen Dokumente zum Dry-Hopping finden sich in der englischen Literatur ab Mitte des 18. Jahrhunderts. Dabei bedeutet „dry“ einfach, dass mit getrocknetem Hopfen und nicht mit frischem Hopfen (wet-hopping) gearbeitet wurde. Aus den englischen Quellen wird klar, dass die Zugabe von Hopfen zum fertigen Bier in Casks (Fässern) in erster Linie zur Verbesserung der Haltbarkeit des Bieres gedacht war, weniger wegen des genialen Aromas. Die Haltbarkeit des Bieres war für die Exporte von England in die Überseekolonien eine wichtige Voraussetzung, um dort mit Bier nicht nur die dort stationierten Briten bei Laune zu halten, sondern auch ein Geschäft zu machen. Da ist man schnell bei der Geschichte des IPAs angelangt, doch auf die zahlreichen Interpretationen des India Pale Ales und seiner Entstehung gehe ich hier nicht ein, verweise aber auf interessante Quellen:
- in der Brewers Publication
- und noch mal da
- und auf Zythophile
Hopfenstopfen auf deutsch
Also gut, die Engländer haben Ihre Biere in ihren Casks mit Hopfen gestopft. Und die Deutschen Brauer auch? Noch immer heben sich die Augenbrauen gestandener Deutscher Braumeister, wenn es ums Hopfenstopfen geht. Nein, so etwas gab es nicht in Deutschland, das haben die deutschen Brauer nie gemacht, heißt es. Ich allerdings bin mir da nicht so sicher. Es gibt durchaus einige Bücher und Schriften des 19. Jahrhunderts, die so interpretiert werden können, dass auch die Deutschen ihre Bier hopfenstopften. Und dieses deutsche Wort „Hopfenstopfen“ beschreibt es eigentlich sehr schön. Es klingt zwar martialisch, aber es ist eine schönes Bild, dass der Hopfen mit Aufwand in das Bier „gestopft“ werden muss, und bei den heute üblichen Mengen von bis zu 4 kg Hopfen/hl wird der Wortteil „Stopfen“ immer wahrhafter. Also vermutlich wurde auch in Deutschland das Bier hopfengestopft.
Hopfenstopfen und Reinheitsgebot
Als die Hopfenstopfwelle mit der Craft Beer Bewegung nach Deutschland kam, wurde erstmal heftig diskutiert, ob das ganze denn mit dem Reinheitsgebot konform ist. Und da gab es verschiedene Interpretationen. Schließlich gab der Deutsche Brauerbund 2012 die Erlaubnis zum Hopfenstopfen, und die Bestätigung, dass das Reinheitsgebot, das in Form des Vorläufigen Biergesetzes bindend ist, es erlaubt Hopfen in Form von Hopfen bzw. Pellets oder Pulver dem fertigen Bier zuzufügen. Seit dem wird freudig gestopft in Deutschen Landen.
Wie und was passiert beim Hopfenstopfen ?
Mittlerweile umfasst Dry Hopping alias Hopfenstopfen alias Kalthopfung sehr viel. Wurde traditionell der Hopfen erst zur Lagerung dazu gegeben, wird er aktuell in vielen Brauereien bereits zur Hauptgärung, oder irgendwo dazwischen hinzugefügt. Aus dem Begriff Kalthopfung geht hervor, das Medium (ob jetzt schon vergorenes Bier, Jungbier oder Würze) muss kalt sein, wenn es den Hopfen trifft. Aber auch kalt ist hier ein relativer Begriff, nicht wenige Brauereien machen die „Kalthopfung“ bei um die 20°C.
Das Hopfenstopfen ist also eine (relativ) Kaltextraktion in einem (relativ) schwach alkoholischem Lösungsmittel (nämlich Bier). Ein traditionelles Verfahren, wie es noch bei Orval z. B. gemacht wird, ist die Hopfen als Dolden in Netzen (natürlich vakuumiert angeliefert) im Lagertank vorzulegen und diese im Bier bis zu 14 Tage zu belassen, um das Aroma aus den Dolden zu extrahieren.
Aus verfahrenstechnischer Sicht (im Sinne von „Wie bekomme ich viel schnell gelöst?“) sind folgende Parameter für das Hopfenstopfen von Bedeutung:
- Partikelgröße des Hopfens: Je kleiner die Partikel (sowie bei den Pellets) desto einfacher ist die Aromaextraktion. Daher sind Pellets wesentlich besser geeignet für eine gute Aromaextraktion. In den Dolden sind die Lupulindrüsen geschützt und es ist schwierig hier das Aroma rauszubekommen.
- Temperatur beim Hopfenstopfen: Je nach Biertyp wird die Kalthopfung bei unterschiedlichen Temperaturen gemacht. Das kann im Lagertank bei 1°C sein oder auch bei 14°C oder gar 20°C. Je wärmer desto schneller die Extraktion, wobei die Aromastoffe je nach Polarität und Löslichkeit sich leicht unterschiedlich verhalten. Daher bekommt man bei jeder Temperatur ein anderes Aroma aus dem Hopfen, das sich die Zusammensetzung der Aromastoffe je nach Temperatur unterscheidet.
- Kontaktzeit: Wenn der Hopfen unbewegt als Pelletpartikel im Lagertank ist, setzt er sich schnell ab und die Extraktion dauert und dauert. Werden die Hopfenpartikel jedoch bewegt, z. B. durch Umpumpen in einen anderen Tank oder im Kreis reichen oft wenige Stunden um eine gute Aromaausbeute zu erhalten. Auch hier verändert sich das Aroma je nach Dauer und Heftigkeit der Extraktion.
- Alkoholgehalt des Bieres: Der Alkoholgehalt beeinflusst die Löslichkeit und Extrahierbarkeit der Aromastoffe. Bei einem hohen Alkoholgehalt geht das Aroma in höheren Konzentrationen und schneller ins Bier über.
Aus qualitativer Sicht (im Sinne von „Wie schmeckts am Ende?“) sind folgende Parameter von Bedeutung:
- Produktform: Dolden, Pellets oder Extrakt? Am meisten verwendet werden Pellets, diese lösen sich schnell, die Aromaextraktion ist aufgrund der kleinen Partikel gut und das Absetzverhalten der Pellets macht eine Entfernung des Hopfens relativ einfach. Es gibt viele Brauer die mit Dolden hopfenstopfen, jedoch hat man hier immer mit einem gewissen Sauerstoffeintrag zu kämpfen, auch wenn man mit CO2 die Behälter vorspannt. Auch der Bierverlust ist hoch. Extrakt, z. B. CO2-Extrakt eignet sich ebenfalls gut zur Kalthopfung, nur ist es schwierig ihn im kalten Bier homogen in Lösung zu bringen.
- Die Hopfensorte(n): Jede Hopfensorte ergibt ein individuelles Aromaprofil in einem hopfengestopften Bier. Dabei ist die Menge wichtig, die zum Hopfenstopfen verwendet wird. Viele Brauer arbeiten hier mit gr/hl, obwohl es für eine gleichbleibende Aromaintensität besser ist mit der Konzentrationsangabe an ml Hopfenöl/100g Hopfen zu arbeiten. Ein Beispiel: Für ein wahrnehmbares Hopfenaroma sollte man mindestens mit 0,5 ml Hopfenöl/hl arbeiten, besser 1ml. Angenommen, die Hallertauer Tradition in meinem Hopfenvorrat hat genau 0,5 ml Öl/100g. Dann nehme ich 200g/hl um 1ml Öl ins Bier einzubringen. Und jede Hopfensorte eignet sich zum Hopfenstopfen, be creative!
- Hefe: Die An- bzw. Abwesenheit von Hefe entscheidet stark darüber welche Aromen letztendlich im Bier sind. Ist der Hopfen während der Gärung zugegen, wird die Hefe sehr viele Aromastoffe umwandeln, umbauen oder einfach absorbieren, das entstehende CO2 wird uns auch einiges an Aroma rauben. Durch die Stoffwechselvorgänge der Hefe können fruchtige Noten unterstützt werden und krautige Noten abgebaut werden. Und solange aktive Hefe am Hopfen arbeitet, wird sich das Aroma ständig verändern (Stichwort Flaschengärung).
- Das Equipment: Mann muss nicht unbedingt in Gerätschaften investieren um hopfenzustopfen. Je nach Menge Bier die gestopft werden soll, kann man das direkt im Keg machen, oder direkt im Lagertank. Für eine serielle Produktion an gestopften Bieren ist aber leichter mit dafür entwickelten Systemen zu arbeiten. Hier gibt es von den Anlagenherstellern seit einigen Jahren ein breites Portfolio. Solche Systeme heißen z. B. Hopgun, Dry-Hopnik, Hoprocket, X-tractor o. ä.
Braust Du noch oder stopfst Du schon ?
Das Hopfenstopfen ist eine geniale Spielwiese um die unterschiedlichsten Hopfenaromen ins Bier zu bringen und sich damit von anderen Bieren abzuheben. Alles ist erlaubt, und probieren geht über studieren. Wichtig ist, dass kein Sauerstoff ins Bier mit dem Hopfen eingebracht wird, ansonsten kann mit den oben angegebenen Parameter wild gespielt und gedreht werden. Auch wenig ist beim Hopfenstopfen schon viel. Manchmal ist allein die Zugabe von 50g Hopfen/hl (um beim Beispiel Tradition zu bleiben) genug um einem Bier eine unwiderstehliche Note zu verleihen.