Theoretisch, aber eben auch nur theoretisch, müsste der Mensch sich in ein rastlos laufendes Perpetuum Mobile verwandeln, wenn er nur stets Bier und Kaffee in perfekter Balance hintereinander wegtrinkt. Nicht umsonst spricht der Amerikaner ja gern von „Upper and Downers“, wenn er die gelungene Kombination von Craft Beer und Speciality Coffee meint. Hinter beidem steckt die gleiche Idee: Ein verkommendes Alltagsprodukt (lauwarmer Maschinenkaffee und 08/15-Industriebier) zurück zu seinen guten, handwerklichen Ursprüngen führen. Drei Wahlberliner haben nun auch in Deutschland mit Motel Beer beides zu einem guten Ganzen zusammengeführt. – Zu Besuch in ihrer Brauerei in Berlin Reinickendorf.
Cory Andreen, Travis Wilson und Peter Read, das sind ein Amerikaner, ein Neuseeländer und ein Kanadier. Zwei kommen aus dem Kaffee, einer vom Bier. Cory Andreen ist Kaffeefachmann. Spezialist. Weltspitzenspezialist: Er war mal World-„Cupping“-Champion, Weltmeister im Kaffeeverkosten. Travis Wilson ist Barista und zusammen mit Andreen Gründer von Brewbox, einer Zapfanlage für Kaffee. Denn mit Kaffee ist es auch nicht anders als mit Bier: Frisch vom Fass schmeckt’s am Besten. (Auch hier tut der Sauerstoff dem Produkt, dem Kaffee, nicht gut. In die Brewbox kommt er quasi ohne Kontakt damit zu haben und kann so frisch gezapft werden, ohne frisch aufgebrüht sein zu müssen.)
Peter Read schließlich ist der Brauer, ein Selfmadebrauer. Eigentlich ein Doktor der Buchwissenschaft, der bei Johannes Heidenpeter im Keller der Markthalle Neun in die Lehre gegangen war. So hat auch Motelbier in der Markthalle angefangen.
Das Besondere freilich war immer schon, von Anfang an, die Verbindung von Bier und Kaffee. Die Firma der drei Motel-Männer macht beides. Auch in ihrer Brauerei in Reinickendorf wird seit Herbst 2018 gebrüht und gebraut. Und allsamt in Dosen gefüllt. Gypsie- und Lohnbrauzeiten lassen die drei damit hinter sich, die Produktion der Biere (u.a. Pale Ale, IPA, Kellerbier und Golden Ale) findet ausschließlich hier statt. In Reinickendorf.
Reinickendorf. Ein Berliner Bezirk, in dem die Craft-Beer-Dichte eher gering ist…
Peter Read: Reinickendorf yay. Die Sonne scheint immer in Reinickendorf. Wir sind echt stolz in Reinickendorf zu sein. Es ist einfach auch schön ruhig hier und unser Malzlieferant betont auch immer, wie hervorragend die Ablademöglichkeit hier bei uns sind. Er hat sogar schon einmal hier übernachtet, weil es hier bei uns anscheinend sehr einfach ist mit einem großen LKW zu parken.
Klingt nach der Traumlocation für Eure Brauerei?
Peter: Es war einfach reiner Zufall aber wir haben uns sofort in den Ort verliebt. Wir natürlich superlange nach einem Objekt gesucht haben. Das übliche Problem mit den Vermietern: „Brauerei, stinkt das?“
Das hier hat und allen dreien sofort gefallen. Wir haben dann mit dem Gewerbehofanbieter gesprochen, der ungefähr 20 Millionen Quadratmeter in Berlin besitzt, aber noch keine Brauerei im Portfolio hat. Er hat alles sehr einfach für uns gestaltete was die Renovierung und Instandsetzung des Gebäudes anbelangte.
Und ihr habt dann nicht nur eine Brauerei, sondern auch gleich eine Abfüllanlage hier eingebaut. Dose. Warum?
Peter: Es gibt viele verschiedene Gründe, aber der allererste war, da wir ja wussten, dass wie hier auch ein Kaffeegetränk produzieren möchten. Das ist mit Stickstoff versetzt und man braucht mehr Druck, um den von uns gewünschten Guiness-„Nitro“-Effekt zu bekommen. Das würde in normalen Flaschen nicht funktionieren – die würden platzen. Die Investition wollten wir einmal machen und mit der Maschine dann beide Getränke abfüllen. Also haben wir uns auch für das Bier für Dosen entschieden. Wir wollten dafür eine Maschine, die auch verschiedene Dosen-Größen füllen kann, also kleine für Kaffee und die 330ml für Bier. Damit wurden wir dann in den USA fündig. Ein weiterer Grund, der für die Dose sprach war auch: Es gibt sehr großes Interesse aus dem Ausland für unsere Produkte. Ein Importeur wollte aber zum Beispiel nur Dosen von uns kaufen. Ohne das Format Dose hätte er unser Bier nicht gekauft.
Wie ist denn die Nachfrage in Deutschland? Hat die Bierdose ihr Imageproblem denn schon überwunden?
Peter: Eigentlich nicht. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der auf den Pausenknopf gedrückt hat, als wir mit dem Einzug in unsere eigene Brauerei von 0,33l-Flaschen auf Dosen umgestellt haben. Das Format Dose würde den Wünschen seines Kunden nicht entsprechen. Es geht hier um ein klassisches Restaurant. Andere hingegen sehen die Vorteile der Dose: Sie ist kleiner, leichter, der Geschmack des Bieres ist ein bisschen besser, da das Aroma in dem Minifässchen gehalten wird und sie sieht auch schöner aus.
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