SIMIAN ALES: Englishman in Elmshorn

Nina Anika Klotz

Legal Alien? Nö, eigentlich nicht: Ian Faulkner hat seinen ganz persönlichen Brexit schon vor Jahren vollzogen. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Zunächst als Englischlehrer. Seit Kurzem als Brauer. Und seine Siman Ales werden ziemlich gefeiert.

„Ach, das hat doch gut geklappt: Ich bin die ganze Zeit auf der richtigen Straßenseite gefahren.“ Ian Faulkner grinst leise, während sein alter VW Bulli laut brummt. Er lenkt ihn auf den Parkplatz zwischen Katasteramt und Fahrradladen. Angekommen.

Simian Ales

Taproom und Brauerei von Simian Ales in Elmshorn. (Foto: NAK)

Hätte er auch nicht gedacht, dass er jemals hier ankommen würde, erzählt der Engländer wenig später bei einer Tasse Kaffee. Also, nicht, weil er immer noch ab und zu aus Versehen auf der falschen Straßenseite fährt, nach all den Jahren, nein, nein. „Ankommen“ im eher übertragenen Sinne, so im Leben. Vor mehr als 15 Jahren jedenfalls, als er aus seiner Heimatstadt Oxford wegzog, um sein Glück zu finden, deutete nichts darauf hin, dass er jemals eine eigene Brauerei in Elmshorn bei Hamburg betreiben würde. Und doch ist er jetzt hier, auf einem Gewerbehof von Elmshorn, zwischen Fahrradladen und Katasteramt. An der Glastür zum Treppenhaus steht „Simian Ale“, auf der anderen Seite liegt ein schicker Taproom mit selbst gezimmerten Hockern, alles noch ganz neu und sauber.

Plan: Weltreise. Endstation: Prag.

Nach seinem Philosophie-Studium in Manchester war Ian zunächst nach London gezogen, wo er für Wohltätigkeitsunternehmen arbeitete. Eine schöne und erfüllende Arbeit, wie er sagt, die aber leider wenig bis kaum Geld brachte. „Also nahm ich das als eine Entschuldigung dafür, England zu verlassen und in die Welt hinaus zu ziehen“, erzählt er. „Weltreise, das wollte ich machen. Einmal rund rum und so. Gekommen bin ich dann allerdings nur bis Prag.“

Simian Ales

Ian Faulkner steht nicht nur am Kesser sondern auch am Zapfhahn in seinem Taproom. (Foto: NAK)

Und da nahm sein Leben dann einen bierige Wendung? Nein, noch nicht. Er lernte ein deutsches Mädchen kennen und lebte ein paar Jahre mit ihr in Berlin. Dort begann er Englisch zu unterrichten. Als Privatlehrer. Für Firmen. Später verschlug es ihn nach Hamburg. Altona, St. Pauli. Das ist so sein Kiez. Es gefiel ihm dort, alles – außer der Bierauswahl.

Aller Anfang: „Alles Elbe“

Wir denken zurück, 2010 oder so – überall Pils, Pils, Pils, immer große Marken. Das ist in den Pubs seiner Heimat schon cooler, denkt Ian. Er fängt an, Bücher über das Bierbrauen zu lesen und es  selbst auszuprobieren: „Ein trinkbares Bier zu brauen ist jetzt ja auch nicht so schwer“, sagt er, ganz britisch-bescheiden. Er macht das in der Küche seiner damaligen Wohnung in der Balduinstraße. Und so wurde, als er gemeinsam mit den Betreibern des „Alles Elbe“, einer St.Pauli-Bar, den irgendwie so halb-ernst gemeinten Start einer Craft Beer Brauerei in der Küche des Ladens unternimmt, aus dem Brauprojekt „Balduin Ales“.

Simian Ales

Ian Faulkner ist mit Simian Ales viel auf Events unterwegs. (Foto: NAK)

Zunächst fließt das Balduin Ale nur aus dem Hahn im „Alles Elbe“. Dann fangen die Afficionados, die Nerds, Liebhaber, Kenner und Bierverkoster an, darüber zu bloggen, gehen die Ratings auf Untapped hoch und höher. Irgendwann hängt Ian Faulkners Bier auch im Alten Mädchen am Hahn und steht er mit seinem amerikanischen Namensvetter Ian Pyle an der Mikro-Brauanlage von Ratsherrn und tüftelt mit ihn an einem English Barley Wine, dem „Old Drifter“. Irgendwie, irgendwo da dämmerte es Ian Faulkner, dass aus dieser Idee mit dem Bierbrauen nun wohl doch etwas Ernstes werden könnte. Etwas Festes. Buchstäblich: Eine eigene Brauerei. Mit Hardware und Immobilie und einem Bankkredit. So fest hatte er es noch nie. Und das wurde also aus der Weltreise des britischen Philosophen.

Aus Balduin wurde Simian Ales

Fast Forward ins Jahr 2018: Aus markenrechtlichen Gründen, sicherheitshalber sozusagen, heißt Balduin mittlerweile Simian Ales. Simian, das ist englisch-biologisch, heißt affenartig. „Ich mag Affen“, liefert Ian die ach so simple Erklärung und lacht. „Und es steckt, wenn man genau hinschaut, auch Ian in diesem Namen.“

Simian Ales

Ist Kunst, kann nicht weg: Das design von Simian Ales. (Foto: NAK)

Dabei würde man beim näheren Betrachten der Simian Ale-Flaschen vermutlich aber eher an den außergewöhnlichen Zeichnungen hängen bleiben, als am Ian in der Mitte von Simian. Alle Biere seines Kernsortiments sind mit Bildern des Hamburger Künstlers Björn Holzweg geschmückt. Dessen Thema sind Tiere. Wilde Tiere. Wilde Tiere und geometrische Formen. Auf dem Etikett einer Bierflasche definitiv ein Hingucker.

Simian Ales ist Teamwork

Gefüllt werden diese Flasche hier in Elmshorn halbautomatisch und meistens von Ian und seiner Freundin Anna, die vor ein paar Monaten wohl auch noch nicht gedacht hätte, einmal stolze Brauereibesitzerin zu sein. Eigentlich ist sie Heilpraktikerin. Aber, wie so viele loyale und starke Frauen hinter Craft Beer Machern, hilft und unterstützt sie Ian bei allem – auch an den zwei Brautagen in der Woche, an denen er auf der 500-Liter-Anlage zwei Sude hintereinander fährt. „Meistens Pils“, sagt Ian, not amused. „Wenn ich das braue, ist es für mich eher so ein langweiliger Nine-to-Five-Job.“ Er braut eigentlich lieber andere Biere, sein Three Hop Table Beer, zum Beispiel, das ist sein persönlicher Favorit. Ein mit 3,3% Alkohol äußerst leichtes Pale Ale, das aber eben gar nicht so leicht schmeckt. „Eigentlich schmeckt es nach 5% Alkohol und null wässrig.“

Simian Ales

Wartet, frei gelassen zu werden: Bier im Tank von Simian Ales. (Foto: NAK)

„Das Geheimnis ist der Körper“, verrät er, die Weichen werden beim Maischen gesetzt. „Man braucht hier eine ganze Menge Restzucker für die Gärung.“ Er mache das ganz britisch, erklärt er. „Single infusion mash“ (oder auch: British infusion mash). Das bedeutet: höhere Temperatur, 69 Grad Celsius, keine Rasten. Ergibt mehr unvergärbare Zucker. Die Stammwürze eines so leichten Bieres ist mit 9,1 Grad Plato sehr hoch.

Die nächste aufregende, selbst auferlegte Herausforderung ist es, ein India Porter zu brauen. „Eine etwas weniger hopfige Variante eines Black IPAs könnte man vielleicht auch sagen“, so Ian.

Naja das, und vieles mehr. Ian Faulkner ist ja gerade erst angekommen. Hier in Elmshorn. In seinem Leben als Brauer. Und er hat noch viel, viel vor.

Simian Ales

Früchte der Arbeit: Simian Ales Bier, gemacht und ausgeschenkt in Elmshorn. (Foito: NAK)