Dosenbier hat sein mieses Image hierzulande so langsam echt überwunden. Und schließlich gibt es ja auch einige gute Argumente, die für die Dose sprechen. Frederik „Fred“ Brenninkmeyer sorgt nun dafür, dass mehr Brauerinnen und Brauer ihre Biere in die Dose bekommen – mit Deutschlands erster mobiler Dosenabfüllanlage. Toucan Mobile Canning kann so ziemlich alles: Abfüllung, Etikettierung, Verpackung, Pfand. 0,33, 0,44 oder 0,5 Liter. Alles aus einer Hand. Krasser Typ. Krasse Idee. Wir wollten mal mehr wissen.
Fred kommt eigentlich aus der Textilindustrie. Nachdem er die Ausbildung im Familienunternehmen abgeschlossen hat, hat er eine eigene Online-Mode-Firma gegründet. Anschließend ging es für ihn einmal um den Globus. Aus den Niederlanden nach New York, dann wieder fürs Familienunternehmen nach Asien, Bangladesh, Indien, China, dann nach Brüssel. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem er sich nicht mehr mit der Unternehmensphilosophie identifizieren konnte. Zeit für einen Wandel.
Von einem auf den anderen Tag wusste der 30-jährige, dass er in der Craft Beer Branche arbeiten will. Entscheidend war das Annual General Mayhem von Brewdog. Fred war total begeistert von der Community: „Cloudwater und Modern Times waren dort. Das ist so, als könnte man bei Mercedes auf der Hauptversammlung einen BMW i3 fahren.“ In Berlin hat er dann schnell im Lager Lager Fuß gefasst und seine Idee von der mobilen Dosenabfüllung nahm langsam Form an. Der Toucan bekam 2019 endlich Flügel.
Fred, du hast im letzten Jahr Toucan Mobile Canning gegründet. Wie kommt man auf die Idee, sich eine mobile Dosenabfüllanlage zu kaufen?
Ich habe das Konzept das erste Mal in San Francisco in einem kleinen Brewpub gesehen. Die hatten da alle Stühle und Tische zur Seite gerückt, ein Truck kam vorgefahren und die Anlage wurde herein gerollt. Ernsthaft: Die sind einfach reingefahren, haben alle Tanks abgefüllt und sind wieder weiter. Das war damals die Crew von The Can Van. Also meine Inspiration war der Can Van und ich habs 2014 zum ersten Mal gesehen. Es brodelte seitdem in mir, bis ich es jetzt endlich umsetzen konnte.
Hattest du damals schon mehr mit Bier zu tun, oder war das deine erste Erfahrung?
Meine Bierreise fing vor acht Jahren an. Ich war Ende 2012 in Ohio zu Besuch und habe dort ein Hefeweizen getrunken. Ich muss vielleicht dazu sagen, dass ich in Bayern groß geworden bin. Für mich war damals klar, dass Hefeweizen ein bayerisches Bier ist, das es nur von Erdinger oder Paulaner gibt. Ich kam zu JAFB (Anm. d. Red.: Just Another Fucking Brewery) in Wooster, also echt ins Nirgendwo! Aber das Hefeweizen war der Hammer. So hat es angefangen, dass ich in jedem Ort, den ich besucht habe, das lokale Bier probieren wollte.
Wie lange hast du geplant, bis die erste Dose mit deiner Anlage abgefüllt war?
Ende 2017 ging es los. Da habe ich zusammen mit Timo von Straßenbräu mit der Planung begonnen. Im Januar 2018 haben wir Flüge gebucht und sind zur Craft Brewers Conference geflogen und haben uns dort die mobilen Dosenabfüllanlagen angeschaut. So sind wir zu Wild Goose nach Colorado gekommen. Vor ziemlich genau zwei Jahren.
Kannst du mir ein bisschen über deine Dosenabfüllanlage erzählen?
Erstmal ist die Anlage auf Rollen, das ist das Besonderste. Wir sind also mobil. Dann hat sie fünf Füllköpfe und schafft realistisch rund 40 Dosen pro Minute. Industriell soll das die beste mobile Anlage sein, da Verluste und Sauerstoffaufnahme bei der Abfüllung besonders gering sind.
Du warst der Erste, der die mobile Dosenabfüllung nach Deutschland geholt hat. Was waren die größten Herausforderungen?
Kompliziert und teuer waren vor allem das Shipping, die Einfuhr und die Umsatzzölle. Außerdem war die Recherche sehr lang. Wir mussten uns überlegen, welche Anschlüsse wir brauchen. Da reicht halt nicht einer, wie üblich in einer Brauerei. Wir brauchen für jeden Tank die passenden Fittings.
Zusätzlich mussten die Maßeinheiten jedes Mal angepasst werden. Wir haben Komponenten aus den USA, aus Großbritannien und aus Deutschland. Wenn du Ersatzteile in Deutschland für ein in den USA hergestelltes Teil kaufen möchtest, ist das mit amerikanischen Einheiten und Angaben gar nicht so einfach. Die Amerikaner gehen insgesamt eher mit einer Gelassenheit ran und wollen dir klar machen, dass du das alles nicht brauchst. Dann kommst du in eine deutsche Brauerei und die wollen natürlich Zertifikate, Datenblätter und und und. Das Motto von Toucan ist: „American Ingenuity, German Precision!“
Wer kann dich und deine Anlage buchen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Temperatur, Druck, Bierstil?
Ich bin fokussiert auf Deutschland. Die Brauereien bekommen dafür von mir vorab ein Dokument, in dem genau beschrieben ist, in welchem Bereich das Bier sein sollte. Da wir ohne Gegendruck füllen, sind Temperatur, CO2 und Druck auf dem Tank ausschlaggebend. 10 Hektoliter zum Abfüllen sind Minimum. Bei 200 Litern lohnt es sich hinten und vorne nicht hinzufahren, aufzubauen, für 20 Minuten abzufüllen, zu reinigen und wieder nach Hause zu fahren. Bei größeren Entfernungen über 150 km sollten es schon 30 Hektoliter sein. Maximal 5,3 g Kohlensäure, Temperatur von 0 bis 1,5 °C. Jetzt gibt es schon ein paar Brauereien, wo das nicht möglich ist, oder bei denen die Messgeräte ungenau sind.
Wie gewährleistest du das? Hast du die entsprechenden Messgeräte? Die sind ja nicht ganz billig…
Für meine Recherche war ich bei Oskar Blues in Colorado. Die gelten als diejenigen, die 2003 als erste Brauerei die Craft Cans wieder populär gemacht haben. Die hatten damals eine Wild Goose und einen Cask Filler, für kleinere Projekte. Das waren die beiden Anlagen, die für mich von Anfang an in Frage kamen. Jeremy aus der Produktion hat mich damals beiseite genommen und gab mir ein paar wichtige Tipps: “Du darfst die Dosengröße nicht verändern, du darfst die Anlage nicht bewegen und sorg‘ dafür, dass du dir die besten Messgeräte kaufst.”
Die ersten beiden Punkte hat Wild Gosse gelöst. Die Investition in die Messgeräte war aber wirklich wichtig. Wir haben immer wieder gemerkt, dass wenn du mit deinem Anton Paar in die Brauereien kommst, gleich ernst genommen wirst.
Der Idealfall ist, dass 24 Stunden vor der Abfüllung der Tank gemessen wird. Da sollte schon alles in den Parametern sein. Dann messen wir kurz vor der Abfüllung am Tank. Während der Abfüllung überprüfen wir die abgefüllten Dosen und zeigen dem Kunden, dass das Produkt die gewünschten Parameter einhält.
Jetzt ist die Abfüllung der Dose das Eine. Aber da steck ja noch eine ganze Menge mehr dahinter. Müssen die Brauereien sich selber ins Pfandsystem der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG) registrieren? Und wie sieht es mit Labeln aus?
DPG ist ein riesen Thema! Die DPG-Mitgliedschaft ist kostspielig und der bürokratische Aufwand ist groß. Ich habe aber von Anfang an gesagt, dass ich meinen Kunden das abnehmen will. So kann jeder über mich als Erstinverkehrbringer die Labels mit Pfandlogo ordern. Ich kann die Barcodes und EAN Codes von den Kunden verwenden und mit meiner Pfandsignatur verbinden. So registriere ich jedes einzelne Produkt mit einer 150 € Anmeldegebühr.
Bei der Übergabe des abgepackten Produktes zahlt der Kunde für das Pfandlogo die 25 Cent pro Verpackungseinheit plus Mehrwertsteuer auf unser Pfandkonto ein. Der Betrag wird dann an den Konsumenten weitergegeben, der die Dose trinkt, zurückgibt und der Dosenautomat zieht das Geld dann, bildlich gesprochen, von diesem Pfandkonto wieder ein.
Bei den Etiketten ist es so, dass die Brauereien mir ihre Designs zuschicken können und ich gebe den Auftrag dann an eine Druckerei, die berechtigt ist, mein Pfandlogo mit der entsprechenden Nummer auf dieses Label zu drucken. Es ist nicht üblich, dass mobile Lohnabfüller das machen, ich möchte meinen Kunden den Schritt zur Dose aber so einfach wie möglich machen.
Kannst du jedes Bier abfüllen?
Erstmal ja. Wenn meine genannten Parameter eingehalten werden. Dann ist der Verlust minimal und das Produkt kann einwandfrei abgefüllt werden. Was ich im Moment noch nicht abfülle, sind wilde Biere. Das wäre absolut möglich. Du müsstest aber vor und nach der Abfüllung – um wirklich auf Nummer sicher zu gehen – mit drei Verfahren testen: PCR, Plating und ATP-Messung. Ich habe bislang „nur“ die Möglichkeit zur ATP-Messung. Damit kannst du die Bioaktivität über Biolumineszenz nachweisen und so die Sauberkeit deiner Anlage belegen.
Abschließend noch eine viel diskutierte und sicherlich nicht leicht zu beantwortende Frage. Wieso ist die Dose besser als die Flasche?
Die Dose als Verpackungsmaterial ist erstmal ein unglaubliches Design. Genauso muss Flüssigkeit abgepackt sein, um stabil zu sein und gleichzeitig wenig Platz einzunehmen. Eine leere 0,33 Liter Dose mit Deckel und Etikett wiegt nur 13,2 Gramm. Und da gegen 330 Milliliter Bier rein. Außerdem sind da noch die ganzen Vorteile für das Produkt: Licht- und luftgeschützt, bruchsicher.
Etwas schwieriger wird es mit der Dose bei so Punkten wie Flaschen- beziehungsweise dann Dosengärung. Da müssen Produkt und Arbeitsweise sehr genau präpariert werden. Der Maximaldruck von rund 6,2 bar darf nicht überschritten werden.
Ökologisch ist die Dose meines Erachtens besser, auch weil das höhere Pfand zu einer höheren Recyclingrate führt. Zudem führt das geringere Gewicht und die Form dazu, dass Transportwege viel umweltschonender gestaltet werden können. Auf eine Palette passen doppelt so viele Dosen wie Flaschen. Außerdem wird bei der Ökobilanz von Flaschen die Rückfuhr und Reinigung oft außen vorgelassen. Die ganzen Chemikalien, also Laugen und Säuren, sind selten mit berechnet. Eine einzelne Flasche ist für gut und gerne 60 Minuten in einer Flaschenreinigungsmaschine der Größe eines kleinen Hauses.