Historisches Malz Schoppmeier

HISTORISCHES MALZ: Was ist das eigentlich?

Thomas ReddersBierwissen, Im Gespräch

Früher war alles besser, sagt Oma. Alles! Aber: Auch das Malz? Wilhelm Schoppmeier meint: Ja! Er ist Deutschlands führender Experte in Sachen historische Malze. Aber was ist eigentlich historisches Malz? Wer verwendet es schon? Und welche Vor- und Nachteile bringt’s? 

Als „historisch“ bezeichnet man Getreidesorten, die so und nicht anders bereits vor mindestens 120 Jahren, das heißt bevor es zur künstlichen Hochzüchtung kam, angebaut wurden. Das ist, erstaunlicherweise, bei den wenigsten Körnern auf deutschen Feldern der Fall. Die Meisten wurden in den vergangenen Jahrzehnten auf Effizienz und Resistenz getrimmt und zurecht gezüchtet. Damit sind die allermeisten populären Getreidesorten recht junges Gemüse.

Nun zeichnet sich – nicht nur bei Getreide, sondern viel früher schon bei anderen Feldfrüchten – ein interessanter Trend ab, bei dem alte Sorten wieder mehr liebe und Aufmerksamkeit bekommen. Es gibt nämlich durchaus gute Gründe, auf möglicherweise etwas weniger ertragsstarke, dafür aber eben altbewährte Sorten zu setzen. Der Eine ist gut für alle: Es geht um Diversität, biologische Vielfalt. Der Andere ist gut für dich, mich, die Biertrinker: Oft bringen die Alten nämlich einfach mehr Geschmack.

Wilhelm Schoppmeier ist gelernter Braumeister und Getränketechnologe und seit einigen Jahren als Experte im Bereich historische Malze unterwegs. Zusammen mit Christina Bantle von der Hochschule Eberswalde und Ullrich Schulze von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hat Wilhelm Schoppmeier  einen Verein gegründet, um die Entwicklung historischer Getreidesorten voran zu treiben: Historisches Braumalz und Braugetreide e.V.
Umgesetzt wird die Mälzung der alten Getreide durch Rhön Malz, ein kleine familiengeführte Mälzerei.

Außerdem hat er zusammen mit Sven Janßen seine eigene kleine Brauerei – Friedensreiterbräu. Und das Ziel ist klar gesteckt: Friedensreiterbräu soll die erste Brauerei weltweit sein, die alle Biere mit historischen Malzen braut.

Historisches Malz Wilhelm Schoppmeier

Wilhelm Schoppmeier (r.) und Ullrich Schulze inspizieren das historische Getreide. (Foto: Sven Janßen)

Wilhelm Schoppmeier hat uns erzählt wohin der Weg das historische Malz noch bringen soll, welche Sorten schon getestet wurden und ob das Malz der neue Hopfen wird.

Gerade in den letzten Jahren spielte der Hopfen in der Craft Beer Szene eine riesengroße Rolle. Glauben Sie, dass Malz der neue Hopfen werden kann?

Auf jeden Fall. Aber ich glaube nicht, dass das Malz den Hopfen ablöst, sondern ihn gut ergänzen kann. Wenn man sich heutzutage beispielsweise um das Thema IPA kümmert, stellt man fest, dass unglaublich viele unterschiedliche IPAs existieren. Klar, die schmecken alle ein bisschen anders. Aber es wird immer schwerer irgendeine Nische zu finden.

Welchen besonderen Hopfen habe ich noch? Wie entsteht daraus ein besonderer Geschmack? Das geht in der Masse schon fast unter. Und dann können wir den Geschmack vor allem noch mit der Hefe und eben dem Malz beeinflussen. Beide sind in der Vergangenheit sehr stark vernachlässigt worden. Die Hefe kommt jetzt so langsam. Beim Malz redet man eigentlich nur darüber ob hell oder dunkel, dann hat man ein bisschen Röstmalz, Pale Ale Malz und übertrieben gesagt war‘s das schon. Interessanterweise fehlt bei vielen Brauereien und Mälzereien die genaue Malzbezeichnung – es wird fast nie die Sorte genannt, eigentlich immer nur der Malztyp. Allein beim Münchener Malz können das 30, 40 und mehr verschiedene Sorten sein.

So wird auch marketingmäßig viel zu wenig über das Malz gesprochen – sogar von den Mälzern selber. Und wir merken jetzt, gerade durch die Verwendung  der historischen Getreidesorten, dass ein wahnsinniger Unterschied zwischen den einzelnen Sorten besteht. Es können Geschmacksprofile erzeugt werden, die gigantisch sind. Man darf nur nicht den Fehler machen, zu viel Hopfen hinzu zu geben. Dann wird die ganze Malzigkeit überdeckt.

Historisches Malz

Historisches Malz, vermälzt durch Rhön-Malz, einen kleinen Familienbetrieb aus Mellrichstadt. (Foto: Sven Janßen)

Kann man sagen, dass es bereits einen Trend gibt? Wird wieder mehr Wert darauf gelegt, welches Malz benutzt wird?

Von Trend kann man nicht sprechen – zumindest noch nicht. Man kann sich aber einfach mal überlegen, warum im Moment wieder historische Getreidesorten auf den Markt kommen. Da gibt’s einmal das Thema Biodiversität. Man hat erkannt, dass man nur mit Monokulturen auf Dauer nicht glücklich wird. Die Landschaft verarmt. Die Pflanzenvielfalt wird durch moderne Spritzmittel und die großen Saatgutunternehmen bedroht. Daher gibt’s in vielen Zweigen die Bestrebungen alte Sorten wieder „anzubauen“ – ob das eine alte Rinderrasse ist, alte Schweinerassen oder alte Gemüsearten sind, und eben auch Getreidesorten.

Ist die Biodiversität der größte Vorteil, den die traditionellen Braugetreidesorten mit sich bringen?

Hört sich zwar ganz gut an, das alleine würde mich aber nicht vom Hocker reißen. Das würde mich als Konsumenten nicht dazu bewegen zu sagen: Das Bier muss ich haben! Man stellt sich vielmehr die Frage: Warum dieses Bier? Und da haben wir festgestellt, dass historisches Malz mit denen wir arbeiten – also Sorten, die vom 17. bis 19. Jahrhundert angebaut wurden – noch deutlich mehr Vorteile mit sich bringen. Wir reden jetzt ausdrücklich nicht über Getreidesorten wie eine Barke oder eine Steffi, die vor 20 oder 30 Jahren noch jeder eingesetzt hat. Das sind für uns keine historischen Sorten. Der Grund dafür ist der, dass so um 1900 herum die Getreidezucht eingesetzt hat.

Die Getreidezucht hat dazu geführt, dass massiv mit dem Getreide gearbeitet wurde. Nur einige wenige Sorten wurden durch Einsetzen der Mendel‘schen Regel weitergezüchtet. Die Zuchtziele waren in der Landwirtschaft eigentlich immer Stärke und Ertrag. Und bei der ganzen Züchterei hat man, ob man wollte oder nicht, den Geschmack weggezüchtet. Eiweißbausteine und Gerbstoffe nahmen mit Zunahme des Stärkegehaltes mehr und mehr ab. Deshalb leidet das heute verwendete Braugetreide in der Regel an Eiweißmangel – letztes Jahr mal ausnahmsweise nicht. Der Eiweißanteil ist teilweise deutlich unter 10 % gefallen. Die Brauer haben mit der Hefeernährung und dem Bierschaum Probleme gehabt. Das Besondere an den historischen Getreidesorten ist, dass die so alt sind, dass die vor der modernen Getreidezüchtung angebaut wurden. Dadurch beinhalten sie ganz andere Inhaltstoffe. Diese Inhaltsstoffe verursachen andere Geschmäcker. Das heißt, dass ein Bier, hergestellt aus den historischen Sorten, viel malziger und getreideartiger schmeckt.

historische Malze

Die Körner, die’s können: Malz bringt Farbe und Geschmack ins Bier. (Foto: NAK)

Das haben wir im letzten Jahr mit dem Institut Romeis herausgefunden. Dabei haben wir mit identischen Brauanlagen, identischen Rezepten und identischem Hopfen Bier gebraut. Das eine mit historischem, das andere mit normalem Malz. Wir konnten in Verkostungen und in der Analytik die Unterschiede herausfiltern. Der überwiegende Anteil der Verbraucher hat das Bier aus historischen Malzen bevorzugt. Es hat viel intensiver und gehaltvoller geschmeckt. Auch die Inhaltstoffe waren andere. Es lagen mehr Eiweißstoffe vor, die Schaumkomponenten waren um ein vielfaches höher. Das ist aus meiner Sicht der Hauptgrund , warum man diese Malze wieder mit zum Bierbrauen einsetzen sollte: Weil sie einfach mehr Geschmack erzeugen! Und wenn das Getreide dann noch eine schöne Geschichte mit sich bringt, dann ist das natürlich umso besser. Man hat eine belegbare Geschichte, tolle Produkte und macht noch was für die biologische Vielfalt.

Außerdem gibt es einen weiteren großen Vorteil, der allerdings noch nicht wissenschaftlich belegt ist: Wir gehen davon aus, dass die Verträglichkeit derartiger Biere viel besser ist. Das Thema Lebensmittelunverträglichkeit hat in letzter Zeit extrem an Einfluss gewonnen. Das hat offensichtlich unter anderem damit zu tun, dass sich die Inhaltsstoffe in unseren Lebensmitteln gewandelt haben. Das Problem scheint bei historischen Sorten nicht aufzutreten – oder zumindest deutlich weniger. Da müssen wir aber noch ein paar Sponsoren und Institute finden, um nochmal in die Tiefe zu gehen. Bei Äpfeln beispielsweise konnte man das schon belegen.

Was sind denn Ihrer Meinung die spannendsten historischen Braugetreidesorten?

Also wir haben einen ganzen Fundus von 30, 40 verschiedenen Getreidesorten. Aber nicht jede Sorte ist zum Bierbrauen geeignet. Die ersten Mälzungen haben wir mit Gersten durchgeführt. Wir arbeiten mit Dr. Franck’s grannenabwerfender Imperialgerste, Chevallier von Neuhaus oder Heine’s Goldthorpe. Was noch kommen wird, sind beispielsweise Farbgetreide. Das sind Getreidesorten, die von Haus aus Farbstoffe beinhalten. Das heißt, dass die Körner auf dem Feld schon dunkel wachsen. Wenn man das im Kleinstmaßstab ausprobiert, bekommt man fast dunkel goldene und leicht rötlich schimmernde Biere. Es kommt noch so viel, der Fundus ist gigantisch. Das heißt aber eben auch, dass wir in den nächsten Jahren noch einiges an Innovation erwarten können. Es dauert einfach fünf bis zehn Jahre, bis man eine neue Sorte so weit groß gezogen hat, dass man die erste Mälzung damit machen kann.

Muss man bei der Verwendung der historischen Sorten etwas Besonderes beachten?

Die Verfahrenstechnik ist sehr ähnlich. Aber es ist insofern anders, dass die Wasseraufnahme etwas langsamer vonstatten geht. Die alten Sorten benötigen durchaus mal einen Keimtag mehr. Da ist dann der Mälzer gefordert. Er muss sich traditionelle Mälzweisen wieder aufs Tableau holen – wie wurde vor 50 oder 100 Jahren das Malz hergestellt?

Also ganz so einfach wie bei modernen Sorten ist es nicht. Aber es ist beherrschbar. Das haben wir mittlerweile schon mehrfach zeigen können. Es ist ein bisschen mehr Fummelkram. Aber ein guter Mälzer bekommt das umgesetzt.

hostorische Malze

Von hell bis dunkel: Die Farbe des Malzes bestimmt die des Bieres mit. (Foto:NAK)

Bedeutet das denn für den Verbraucher, dass das Bier letztendlich teurer wird, wenn die Brauerei historisches Malz verwendet?

Der ganze Prozess ist natürlich sehr viel aufwendiger. Es fängt schon in der Landwirtschaft an. Die Erträge beim Landwirt sind deutlich geringer. Wenn moderne Getreide heute Erträge sieben bis neun Tonnen pro Hektar bringen, können alte Sorten vielleicht drei bis vier Tonnen pro Hektar erwirtschaften – also teilweise weniger als die Hälfte. Salopp gesagt bedeutet das, dass beim Landwirt schon der doppelte Preis anfällt. Und so zieht sich das eigentlich durch den Brauprozess. Auch in der Mälzerei ist der Aufwand ein bisschen größer. Gerade große Mälzereien haben ein Problem, wenn sie mal eben einen Tag mehr benötigen. Das bringt die ganze Taktung durcheinander. Deswegen sind für die Vermälzung auch eher kleine Mälzereien geeignet. In den Brauereien ist der Aufwand auch höher, weil auch da intensiver gemaischt werden muss. Das kann man sich alles mal wieder in alten Fachbüchern erarbeiten.

Dann ist es natürlich so, dass die Inhaltsstoffe anders ausgeprägt sind und vor allem der Stärkeanteil geringer ist. Man braucht ein bisschen mehr von dem Malz um die gleichen Extrakte, sprich Stammwürzen, zu erzielen. Durch den leichten Rohstoffmehreinsatz steigen die Kosten weiter. Es sind aber im Verhältnis gesehen – wenn man sich ausrechnet, was in einem Liter Bier der Malzanteil ist – immer noch Peanuts. Da würden die Kosten für den Hopfen beim selben Verhältnis natürlich deutlich mehr einschlagen. Das ist kein Grund für jemanden , der was tolles daraus entwickeln will, zu sagen: Historisches Malz nimm ich nicht! Das ist zu teuer! Aber klar ist auch, dass das nichts für den Industriebrauer ist. Sondern vielmehr für handwerkliche Betriebe, die hohe Qualität und Geschmacksvielfalt herstellen wollen – und die hinterher vielleicht auch einen Euro pro Kasten mehr bekommen.

Haben Sie schon andere traditionelle Braugetreide als Gerste benutzt? Oder können Sie noch eine andere Sorte empfehlen?

Was schon eingesetzt wird zum Bierbrauen sind beispielsweise Dinkel, Emmer oder auch Einkorn. Das Riedenburger Brauhaus ist da führend. Die haben schon seit Langem ein Emmerbier. Alte Gerstensorten sind jetzt ganz frisch, ganz jung. Da kommt aber auch noch mehr. Wir haben aktuell ein Binkel (ja, mit B) im Anbau, einen Kurzkopfweizen, wir haben Champagner-Roggen. Wir konzentrieren uns im Moment allerdings am Meisten auf Gerste, weil Gerste immer noch Hauptbestandteil der hergestellten Biere ist. Außerdem liegt in der Gerste noch eine gigantische Vielfalt vor. Die gilt es zu erschließen.

Muss man sich in Bezug auf das Reinheitsgebot bei der Verwendung historischer Braugerste Gedanken machen, oder ist diesbezüglich Gerste einfach Gerste?

Nein, überhaupt nicht. Wir setzten ja Malz ein, gehen da nicht auf Rohfrucht. Unsere Zielsetzung ist ganz klar, dass man aus den alten Getreidesorten auch Malz herstellt, um getreu dem Deutschen Reinheitsgebot eine Vielfalt an Produkten herzustellen – die dann ohne Bedenken verwendet werden können.