Der Bierumsatz geht weiter zurück – trotz Fußball-EM sogar im Juni, raunte es durch die deutsche Medienlandschaft. „Bier und Fußball, das gehört für viele Fans noch immer zusammen. Die Hoffnungen der Brauereien auf gute Geschäfte während der EM aber haben sich nicht erfüllt. Wenn aber nicht einmal der Fußball den Bierabsatz steigern kann, was kann dann überhaupt noch die deutsche Bierkultur retten? Dieser Frage wollen wir in diesem Sommer nachgehen. Wir haben dazu mit einigen Menschen aus der Branche gesprochen und wollen mit weiteren sprechen – gewagte und weniger gewagte Thesen aufstellen, zum Nachdenken und Mitdiskutieren anregen. Nun lassen wir Maximilian Krieger vom Verein der Deutschen Kreativbrauer zu Wort kommen. Er leitet das Riedenburger Brauhaus.
Teil 5: Wie der Deutsche Kreativbrauer e.V. die Lages des Biermarkts sieht:
„Von der komplexen Bierlandschaft, für die Deutschland einmal berühmt war, ist heute nicht viel übriggeblieben“, sagt Ihr Verein. Nun scheinen viele Brauereien ihr Heil im Hellen zu suchen. Der Verdacht drängt sich aber auf: Wenn Helles, auf das jetzt viele Brauereien setzen, eine der wichtigsten Antworten auf die Krise der Bierbranche ist, dann haben viele die Frage nicht richtig verstanden. Denn dann wird statt Pils künftig eben mehr Helles verramscht. Es würde jedenfalls sehr wundern, wenn die deutschen Medien im kommenden Jahr Schnappatmung kriegen, weil Dank einer riesigen Auswahl an Hellem die Menschen wieder deutlich mehr Bier trinken und die Brauereien aufatmen.
Maximilian Krieger: Der Bierkonsum geht in Deutschland seit Jahren zurück – und wenn die Brauereien immer ähnlichere Biere brauen, wird sich daran auch nicht viel ändern. Auch beim Hellen sieht man die Aktionsanteile schon massiv steigen. Im Moment ist es aber die einfache Antwort auf viele Fragen in diesen wechselhaften Zeiten. Mittelfristig wird es entscheidend sein, dass die Brauereien sich nicht untereinander nachmachen, sondern individuell für Geschmacksvielfalt sorgen. Egal ob beim Hellen, Pils oder IPA. Dann interessieren sich die Konsumenten auch wieder mehr fürs Bier und nicht nur für den Preis.
Gegen den Massenmarkt
Dass die Bierbranche schon bessere Zeiten gesehen hat, sei unbestritten. „Aber wenn man sich die Statistiken anschaut, dann sind es vor allem die ganz großen Brauereien, deren Umsätze schrumpfen. Das kann man von uns nicht sagen“, heißt es bei den Tilmans in München. Diese Kreativbrauerei spricht vermutlich nicht für die ganze Branche, oder?
Maximilian Krieger: In jeder Branche gibt es Betriebe die sich unterschiedlich entwickeln. Aber man kann schon feststellen, dass es vor allem die Brauereien sind, die sich positiv entwickeln, die individuelles Bier mit hochwertigen Zutaten und keine auf den Massenmarkt designten Me-too-Produkte herstellen. Tilman ist ein Brauer, der bedingungslos hinter und für charakterstarken, geschmackvollen Biere steht. Dass seine Zahlen und die von anderen Kreativbrauern steigen, verwundert da nicht.
Es muss nicht jedes Bier außergewöhnlich sein
Gerade in Zeiten der Krise, in denen Menschen eher zurückhaltend sind und genauer abwägen, wofür sie Geld ausgeben und wofür nicht, stellt sich die Frage: Wie können wir Bier in Wert setzen? Anders formuliert: Wie schaffen wir es, dass Bier als etwas Wertvolles wahrgenommen wird, als etwas Besonderes, als etwas, auf das man nicht verzichten möchte?
Maximilian Krieger: Bier ist ein Produkt, zu dem jeder eine Meinung hat und über das man gern spricht. Wenn aber jeder nur das gleiche macht, verliert sich das mit der Zeit. Die Biere werden austauschbar und langweilig. Als Kreativbrauer stehen wir dagegen für Vielfalt. Es muss nicht jedes Bier außergewöhnlich sein, aber jeder Brauer hat seine eigenen Ideen und bringt die Rohstoffe Malz, Hopfen und Hefe anders zum Einsatz. Wir merken, dass die Konsumenten das schätzen und unseren Kreativbieren mehr Wertschätzung entgegen bringen als dem Massenmarkt.
Es wird insgesamt weniger Alkohol von jungen Leuten getrunken
Die jüngere Generation hat offenbar das Interesse an Bier verloren? „Wenn meine Kinder weggehen, dann trinken die alles, nur kein Bier“, hat uns neulich ein Bierliebhaber geschrieben. Wie kann man diese Generation für Bier begeistern?
Maximilian Krieger: Dass es vor allem die jüngere Generation ist, die das Interesse an Bier verloren hat, würde ich nicht sagen. Es wird insgesamt weniger Alkohol von jungen Leuten getrunken als noch vor Jahren. Auch die Zeiten von Komasaufen und Alkopops sind vorbei. Es wird grundsätzlich bewusster gelebt – und die jungen Leute sind da mit dabei. Junge Leute wollen aber etwas Besonderes, mit dem sie sich identifizieren können, und unsere Aufgabe ist es, ihnen das anzubieten.
Welche Rolle kann alkoholfreies Bier spielen?
Maximilian Krieger: Alkoholfreie Biere sind eines der Segmente, die künftig am meisten wachsen werden. Die Leute wollen sich bewusster ernähren. Und die alkoholfreien Biere sind schon seit Jahren qualitativ sehr gut. Auch wenn es zu Beginn eher die stärkeren Biere wie IPAs waren, die nachgefragt und gebraut wurden, haben mittlerweile auch viele der Kreativbrauer alkoholfreie Biere im Sortiment.
Die bisherigen Beiträge zur Diskussion:
„Hören wir auf, Hektoliter-Zahlen zum Erfolgsmaßstab zu machen!“, hieß es im ersten Teil dieser Reihe.
Im zweiten Teil haben wir ins faszinierende Bierland Belgien geschaut.
Im dritten Teil haben wir mit Holger Eichele, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds gesprochen.
In Teil vier ging es darum, was Axel Kiesbye Brauereien rät.
(Foto: Riedenburger Brauhaus)
(23. September 2024)